Jedes Jahr am 11.11. wird in Köln eine riesengroße Tradition gefeiert. Tausende von Menschen zieht es an diesem Tag in die Innenstadt, es wird getrunken, geschunkelt und gesungen. Das Ganze nennt sich „Offizielle Eröffnung der Karnevals-Session“ und erst im Februar finden die feucht-fröhlichen Feierlichkeiten ihr Ende, fünf Tage lang wird dann nicht selten durchgefeiert, mit Kölsch, Alaaf und Kamelle, die nicht nur der Prinz am Rosenmontag wirft.
Die Stadt am Rhein ist bundes- wenn nicht sogar weltweit bekannt für dieses Fest. Somit liegt es nahe, dass der Klub aus der Millionenmetropole damit ganz eng in Verbindung gebracht wird. Zunächst nutzten diesen Umstand gegnerische Fans und spotteten: „Ihr seid nur ein Karnevalsverein.“ Weil die Kölner sich gerne selbst auf die Schippe nehmen, sangen sie bald zurück: „Wir sind nur ein Karnevalsverein.“
Doch traf dies auch vor Jahren noch zu, dann kann man heute getrost feststellen: dieser 1.FC Köln ist nicht erst seit dieser Saison kein Karnevalsverein mehr.
Bisheriges Fazit:
Nach einer soliden ersten Spielzeit im Oberhaus des deutschen Fußballs folgte eine zweite mit furiosem Start. Nach dem ersten Viertel stand Rang fünf schwarz auf weiß und die ersten „Europa, wir kommen“-T Shirts lagen bereits in der Druckerei. Die Fans feierten so seltene wie überraschende Höhepunkte: Sie durften sich gleich über zwei Derbysiege freuen! Am fünften Spieltag gelang gegen schwache Gladbacher ein 1:0-Heimsieg, gegen noch schwächere Leverkusener gewann man auswärts mit 2:1. Auch gerne genommen: Ein 3:1 in Stuttgart und das 3:0 auf Schalke. Trotz dieser schönen Erfolge hat man sich aktuell im Mittelfeld der Tabelle eingenistet – und auch das hat seine Gründe…
Die Problemzonen:
Ganz allgemein kann die Bundesliga in dieser Saison die schlechten Schiedsrichterleistungen nicht leugnen. Und ganz besonders hart traf es die Domstädter. Wer denkt nicht an das Hannover-Spiel, als Leon Andreasen den Siegtreffer mit dem Arm (!) erzielte. Dass das Schiedsrichtergespann diese Unsportlichkeit nicht sah oder ahndete, grenzte für viele FC-Fans fast an Betrug. Dazu kamen einige nicht gegebene Elfmeter, dubiose Abseits- und Freistoßentscheidungen und als Manager Jörg Schmadtke vor dem Spiel gegen Leverkusen meinte: „Wir könnten jetzt hier mit 25 Punkten sitzen“, da widersprach ihm keiner. Das nächste große Problem der Kölner bekam in den vergangenen Wochen einen Namen: Anthony Modeste. Seit dessen letztem Tor am 8. Spieltag erzielte der FC noch ganze zwei (!) Tore. Und die wurden von Abwehrchef Dominic Maroh im Rheinderby markiert. Dies spricht also nicht für den Angriff und nicht für Modeste, sondern für eine ausgeprägte Torallergie, die in Köln herrscht. Denn Chancen haben sie ja. Als perfektes Beispiel diente die 0:1 verlorene Partie gegen den FC Augsburg, als Modeste einen Elfmeter verschoss und sich zeigte: Die Qualität ist da. Aber sie wird nicht in Treffer umgemünzt. Trainer Peter Stöger weigerte sich trotzdem, den Franzosen zu opfern: „Er ist seit Saisonbeginn an acht Toren beteiligt. Das, was er für uns abgeliefert hat, ist die Basis dafür, dass wir nicht in der Abstiegszone stecken. Das sollten die Leute im Hinterkopf haben, wenn sie Anthony beurteilen.“
Der Transferausblick:
Mit Bard Finne, Simon Zoller, Philipp Hosiner, Yuya Osako und eben Modeste ist man vorne bundesligareif aufgestellt. Nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität passt, auch wenn man mit fünf Spielern für meistens zwei Stürmerpositionen überbesetzt ist. Hier könnte eine Leihe von Bard Finne helfen. Auf den Außenpositionen ist man ebenfalls überdurchschnittlich besetzt. Bittencourt, Nagasawa und Svento sind allerdings ausschließlich gelernte Linksaußen, nur Risse hat auf Rechts gelernt. Doch hier helfen sowohl die Rotation als auch die Flexibilität der einzelnen Spieler. Auf den defensiven Außenpositionen ist auch Rotation gefragt. Rechts hat man mit Olkowski einen guten Bundesligaverteidiger. Dahinter kommt kaum was. So kommt es vor, dass Risse mitunter hinten aushelfen muss. Als noch nicht Back-Up-fähiger Verteidiger gilt der 19-jährige Marcel Klünter, den man zunächst in der zweiten Mannschaft aufbauen will.
Links hat man den Dauerbrenner und Nationalspieler Jonas Hector, hinter ihm gilt Dusan Svento eher als Notlösung, weil der Slowake lieber offensiv agiert. Wenn überhaupt besteht hier Nachbesserungsbedarf für die Winterpause, ein flexibel einsetzbarer Außenverteidiger täte dem Kader gut. Aber: Sucht den nicht die ganze Fußball-Welt?
Im zentralen Mittelfeld sieht es gut aus. Mit Gerhardt und Jojic als „Achter“ und Vogt mit Lehmann als klassische „Sechser“ hat man dort die perfekte Mischung zwischen Defensive und Kreativität gefunden.
In der Innenverteidigung hat man drei Fixpunkte mit Heintz, Sörensen und Maroh, der dem Dänen zuletzt wieder den Rang ablief und nach langer Verletzungspause seinen Stammplatz wieder sicher hat. Mavraj gilt noch nicht als Back-Up, da er sich nach seiner Knieverletzung zunächst in der Regionalliga-Mannschaft nach vorne kämpfen muss. Bleibt nur noch die Torhüterposition. Mit Timo Horn ist man dort sehr gut besetzt, das Kölner Eigengewächs offenbart sogar Weltklasse-Potenzial.
Das Fazit:
Alles in allem ein guter, ausgeglichen besetzter Kader, dem etwas die Tiefe fehlt. Mit spektakulären Neueinkäufen ist auf keinen Fall zu rechnen: „Wir vertrauen diesem Kader, der uns seit zweieinhalb Jahren nicht enttäuscht“, sagte unlängst Jörg Schmadtke, der auch betonte: „Normalerweise machen wir nichts mehr. Es sei denn, wir finden ein Schnäppchen, bei dem man nicht Nein sagen kann.“ Wer Schmadtke kennt, der weiß, dass ein Kauf im Winter fast sicher sein dürfte. Denn Top-Schnäppchen landen bei Schmadtke so zuverlässig wie jedes Jahr am 11. 11. ab 11 Uhr 11 in Köln die Karnevalssession eröffnet wird. Der Unterschied: Während die Feierbiester meist am anderen Tag einen dicken Kater haben, haben die FC-Fans an den Verpflichtungen ihres Managers meist mehr Spaß als nur ein paar Stunden.