Es wurde aussortiert im Sommer. Fast wie in einer Art Sommerschlussverkauf wurde der prall gefüllte Dortmunder Kader verschlankt, frühere Leistungsträger und auch entbehrliche Spieler gab der BVB ab. So kam es, dass selbst eine Identifikationsfigur wie Kevin Großkreutz nach Istanbul abgeschoben wurde, auch wenn dieser Wechsel erst knapp nach Mitternacht des letzten Wechseltages von Galatasaray als vollzogen gemeldet wurde und Großkreutz daher bis zum Januar nicht spielberechtigt ist. Inzwischen will der deutsche Weltmeister wegen Heimweh wieder zurück nach Dortmund. Beim BVB derweil läuft es wieder außerordentlich rund in dieser Saison. Ein wenig mehr Klasse statt Masse im Spielerkader und eine modifizierte Taktik scheinen die Dortmunder zu neuen Höhenflügen zu bringen. Ob da überhaupt neue Spieler in der Winterpause nötig sind – Transferkritiker schaut nach.
Bisheriges Fazit
In dieser Saison zeigt sich Dortmund mit dem neuen Trainer Thomas Tuchel wiedererstarkt. In der Liga steht man mit 32 Punkten aus 14 Spielen blendend da, gelegentliche Rückschläge wie ein Unentschieden gegen Darmstadt (2:2) oder in Hamburg (1:3) steckt die Mannschaft nahezu problemlos weg. Ein Grund dafür ist die von Tuchel etwas angepasste Spielweise: Anstatt pausenlos den sehr laufintensiven und damit langfristig schlauchenden Gegenpressing- und Turbofußball spielen zu lassen, wird nun auch auf längeren Ballbesitz und einen ruhigeren Spielaufbau gesetzt. Spieler wie Mkhitaryan, Kagawa oder Gündogan blühen wieder auf und Pierre-Emerick Aubameyang (allein 17 Tore in 14 Ligaspielen) scheint in der Form seines Lebens. Womöglich kann man das Meisterschaftsrennen gegen die geradezu übermächtig erscheinenden Bayern lange offen halten. In der Europa League läuft es hingegen zwar ordentlich, zuletzt hat man aber wohl den Gruppensieg mit dem 0:1 gegen Krasnodar verspielt. Wer nun aber denkt, der zweite Anzug des BVB würde nicht gut sitzen, der irrt – denn auch in diesem Spiel war Dortmund das bessere Team, traf ganze dreimal den Pfosten und hätte zumindest den Ausgleich verdient gehabt. Nichtsdestotrotz sollte der BVB hier auch als Gruppenzweiter im Sechzehntelfinale mit guten Chancen an den Start gehen, egal wie der Gegner heißen wird. Auch im DFB-Pokal läuft es gut: Nach zwei souveränen Siegen in Chemnitz (2:0) und gegen Paderborn (7:1) geht es im Achtelfinale am 16.12. gegen den FC Augsburg um die Viertelfinal-Teilnahme.
Wie gut waren die Neuen?
Der junge Julian Weigl – von 1860 aus München gekommen – war die große Überraschung zu Saisonbeginn. Fast traumwandlerisch wandelt er nach wie vor als Stammspieler durch das defensive Mittelfeld, erobert Bälle, leitet den Spielaufbau ein und ist sehr ballsicher. Ihm könnte eine große Zukunft bevorstehen, wenn er sich sogar noch weiterentwickelt und verletzungsfrei bleibt. Auch Torhüter Roman Bürki ist eine echte Verstärkung. Im Sommer aus Freiburg gekommen, verdrängte er den langjährigen Stammkeeper und Weltmeister Roman Weidenfeller und zahlte seine regelmäßige Liga-Aufstellung schon mit vielen Paraden zurück. Hin und wieder unterlaufen ihm allerdings noch Flüchtigkeitsfehler wie zum Beispiel gegen Srdjan Lakic beim Pokalspiel gegen Paderborn. Spätestens wenn er diese abstellt, ist er der erhoffte große Rückhalt zwischen den Pfosten. Auch Gonzalo Castro hat sich inzwischen zu einer wichtigen Säule im Dortmunder Spiel gemausert. Hatte er in der Anfangszeit noch einige Probleme und spielte nur selten, bekommt er nun immer mehr Einsatzzeiten. Auf eine Stammposition scheint sich Thomas Tuchel aber noch nicht für ihn entschieden zu haben: Mal spielt Castro im zentralen Mittelfeld, mal als rechts, mal links, je nachdem wo gerade Not am Mann ist. Es spricht aber für den erfahrenen Ex-Leverkusener (schon 297 Bundesligaspiele!), dass er auch diese beiden recht verschiedenen Positionen gut mit Leben füllt. Weiterhin nur die Rolle eines Perspektiv- und Ergänzungsspielers hat der junge Belgier Adnan Januzaj inne. Bisher darf er v.a. in der Europa League ran (schon 4 Einsätze) und spielt meist dann, wenn von Reus, Mkhitaryan oder Kagawa einer oder gar mehrere eine Pause brauchen. In seinen Handlungen muss er noch zielstrebiger werden, will er dem BVB weiterhelfen, doch insgesamt ist er ein Rohdiamant, der viele Fähigkeiten schon mitbringt und immerhin schon drei Torvorlagen gegeben hat. Es wird spannend zu sehen sein, wie sehr er sich im Ruhrpott bis Ende Juni noch weiterentwickeln kann. Joo-Ho Park ist ebenso bisher nur Ersatzspieler. Als ein Lieblingsspieler von Tuchel aus Mainz geholt, schien er eine solide und vor allem kostengünstige Alternative zum langjährigen Stamm-Linksverteidiger Marcel Schmelzer zu sein. Bei bislang nur drei Bundesliga-Einsätzen ist er allerdings auch nur eine Alternative geblieben.
Transferausblick
Viel muss nicht gemacht werden in Dortmund. Im Tor ist man mit den beiden Keepern Bürki und Weidenfeller insgesamt sehr gut besetzt. Auch in der Innenverteidigung muss nicht zwingend etwas unternommen werden, auch wenn Kapitän Mats Hummels derzeit ein kleines Leistungstief durchlebt. Hier ist man aber mit Sokratis, Subotić und auch Ginter oder Bender sehr gut aufgestellt, ebenso auf den Außenpositionen mit genügend Spielern. Gleiches gilt für das gesamte Mittelfeld, wo Dortmund quasi zwei Top-Mannschaften aufbieten könnte. Auch wenn mal ein paar Spieler ausfallen – der BVB sollte es jederzeit gut kompensieren können. Wenn man unbedingt etwas im Winter unternehmen will, könnte man einen Sturm-Ersatz für den derzeit überragenden Pierre-Emerick Aubameyang verpflichten. Denn falls der Gabuner sich verletzen sollte oder dringend eine Pause braucht, ist fraglich, wie gut ihn Adrián Ramos ersetzen kann. Zwar hat man bewusst im Sommer den Fehleinkauf Ciro Immobile abgegeben – aber ein Backup könnte vielleicht nicht schaden. Zwingend ist solch eine Verpflichtung derzeit aber in keinem Fall. Daher ist es fraglich, ob der BVB in der Winterpause einen oder gar mehrere neue Spieler holt. Eine Art Winterschlussverkauf, bei dem Dortmund zuschlägt, wird also wohl ausbleiben.