Während der FC Bayern und Borussia Dortmund mit Winterreifen und Vollgas auf der Überholspur der Bundesliga in Richtung Winterpause rasen, gerät der grün-weiße VW-Omnibus mit den Sommerreifen der letzten Saison auf der herbstlich verregneten Autobahn ins Schlingern. Nach dem die große Pfütze des DFB-Pokals die Wolfsburger in die prekäre Situation brachte, sorgten die Pfütze der Champions-League und die Pfütze der Bundesliga für ein verstärktes Schlingern im Saisonverlauf. Wohin die Rutschpartie die Wölfe führt, ist weiterhin ungewiss.
Um den VW-Omnibus wieder zu stabilisieren, bedarf es eines Spielgestalters der das Spiel der Wölfe koordiniert und die Mannschaft mitzieht. Die Rolle hinter dem Lenkrad soll Julian Draxler übernehmen. Im Sommer kam der gebürtige Gladbecker aus dem Kohlenpott in die Autostadt. Für drei Jahre sicherte sich der VfL die Dienste des 36 Mio. Euro teuren Neuzugangs. Ob Julian Draxler der richtige Mann ist um die Wolfsburger wieder mit einem klaren Ziel durch die Strapazen der Bundesliga und der Champions-League zu führen und wie er sich bisher in seiner neuen Heimat eingefunden hat, liest du in der folgenden Transferabrechnung.
Wieso kam der Wechsel zustande?
Nach dem Abgang von Kevin De Bruyne war der VfL Wolfsburg gezwungen einen Spieler zu verpflichten der über ähnliche Spielanlagen und technische Fähigkeiten verfügt wie der Belgier. Das Ziel der Wölfe war es einen bestmöglichen Ersatz zu holen, ohne dabei an offensiver Qualität einzubüßen. Trotz längerer Beobachtung des 22-Jährigen fand der Wechsel kurz vor der Schließung des Transferfensters statt. Möglicherweise einer der vielen Faktoren neben Talent, Prestige und Potenzial die die Ablösesumme auf ein Rekordniveau pushten. Von dem 36 Mio. Euro schweren Neuzugang erhoffte man sich vor allem Stabilität durch Qualität. Eine positive Weiterentwicklung von Draxler, die ähnlich wie bei De Bruyne, die ganze Bundesliga aufhorchen lässt, dürfte diese Hoffnungen am besten beschreiben.
Für Julian Draxler war klar, dass er nicht länger auf Schalke spielen wollte. Jedoch war der VfL Wolfsburg nicht die erste Wahl. Sein Wunschverein wäre Juventus Turin gewesen. Ein Wechsel in die Serie A wäre für die Schalker wesentlich angenehmer gewesen als ein Toptalent an einen direkten Konkurrenten abzugeben, doch Wolfsburg bot den Knappen das große Geld. Die persönlichen Ziele des Jungspundes sind seine Entwicklung auf einem hohen Niveau, wodurch er sich hinsichtlich der bevorstehenden Europameisterschaft 2016 für die DFB-Elf empfehlen kann, sowie eine leitende Rolle innerhalb des Teams eines Champions-League-Teilnehmers einzunehmen und seinen Erfahrungsschatz zu erweitern. Fraglich ist jedoch ob Draxler, der Schalke auch wegen des (angeblich) zu hohen Drucks des Managements den Rücken kehrte, sich nun zu viel sportlichen Druck auf die Schultern lud. Der sportliche Vergleich mit Kevin De Bruyne wird auch in nächster Zeit viele Fußballfans beschäftigen.
Sportlicher Zwischenbericht
Beidfüßig, extrem stark am Ball und in der Ballverteilung, gefährlichen Dribblings in den Strafraum hinein, maßgenaue Pässe in die Schnittstelle und eine offensive Polyvalenz. Alles Eigenschaften die sowohl Kevin de Bruyne wie auch Julian Draxler vorweisen können. Auf dem Papier ist Draxler das perfekte Substitut, auf dem Platz noch nicht so ganz. Durch den späten Wechsel nach Wolfsburg wurde der Ex-Schalker direkt ins kalte Wasser geworfen. Keine Vorbereitungszeit und direkte Anpassung an das hohe Leistungsniveau hindern ihn derzeit noch seine konstanten 100% an Leistung abzurufen. Dennoch ist er unverzichtbar für die sonst so ideenlose Offensive der VfL. Bereits 5 Scorerpunkte in 7 Bundesligaspielen sprechen für die Qualitäten des Nationalspielers, der das Offensivspiel der Niedersachsen definitiv durch seine technischen Finessen belebt. Unter Hecking spielt der Mann mit der Rückennummer 10 flexibel als offensiver Mittelfeldspieler oder auf der linken Außenbahn, je nach taktischer Ausrichtung der Mannschaft. Konkurrenz gibt es für zurzeit Draxler nicht. Schürrle, der ersatzweise auf dem linken Flügel eingesetzt werden könnte, schwächelt vor sich hin und zieht den Groll des Trainers auf sich. Aber auch auf der Zehnerposition bedrohen Draxler keine natürlichen Fressfeinde.
Trotz der fehlenden Konkurrenz gibt sich Draxler engagiert, ehrgeizig und kämpferisch. Der Offensivallrounder ist gewiss kein Spieler der sich mit Grasflecken auf dem Trikot oder aufgeschürften Knien schmückt, dennoch merkt man, dass Draxler der Mannschaft helfen will, auch wenn er sich dafür manchmal sogar in Luftduelle wagen muss. Als Ausrutscher wurde der Platzverweis am vergangenen Spieltag gegen Mainz abgetan. Ein Tritt zum Kopf des Gegenspielers, im Eifer des Gefechts, der nicht an die Spielweise der Idole (Rivaldo und Zidane) des Toptalents erinnert, sondern eher an die Sprungtritte von Bruce Lee. Es war gewiss keine Absicht des 22jährigen, der den Ball lieber streichelt, als ihn weg zu dreschen. Dennoch wirft die Sperre durch die rote Karte Draxler um zwei Schritte/Spiele in seiner Findungsphase zurück und verlangsamt somit den Stabilisierungsprozess des VW-Omnibusses.
Aussicht
Draxler ist auf einem guten Weg, hin und wieder blitzt sein Talent auf und lässt die Zuschauer staunen. Die Zeit ist hierbei die Lösung des Problems. Durch die Zeit wird seine Leistung kontanter und der Nutzen für die Mannschaft immer größer. Derzeit kann der ambitionierte Offensivspieler, aufgrund der Rotsperre, jedoch nur in der Champions League mithelfen. Wichtig ist, dass nicht nur Draxler zu sich findet sondern auch Schürrle und Co. Um in einem europäischen Wettbewerb zu überwintern muss die ganze Mannschaft an sich arbeiten, ein Draxler alleine reicht dafür nicht aus. Seine Rolle als Substitut wird der engagierte Spielgestalter ablegen, sobald die Mannschaft konstante Leistungen bringt.
Fazit
Mit 21 Punkten legte der VfL Wolfsburg einen ordentlichen Saisonstart hin, dennoch ist man in der Autostadt nicht zu frieden. Man ließ zu oft Punkte gegen vermeintlich „einfache“ Gegner liegen. Es fehlt die Kaltschnäuzigkeit und die Souveränität der letzten Saison. Die Bayern sind auf und davon und hinter den Wölfen lauert ein breites Verfolgerfeld auf die begehrten Champions-League-Plätze. Dennoch hat man mit Julian Draxler das Hauptproblem der Wolfsburger gelöst. Dieser Perspektivtransfer mag momentan noch kleiner Probleme mit sich ziehen, trotzdem ist er auf lange Sicht ein sehr guter Transfer. Der Edeltechniker wird seinen Weg gehen. Er braucht nur etwas Zeit. In Wolfsburg hat er die Chance sich zu beweisen und für die EM zu empfehlen. Für die Wolfsburger und vor allem auch für Draxler ist es wichtig international zu überwintern, noch machbar zum jetzigen Standpunkt. Es wird spannend anzusehen sein, ob Draxler den VW-Omnibus wieder und über die nächsten Jahre hinweg stabil und sicher zu den Vereinszielen führen kann.