Sprunghafte Depression auf Schalke – Neuanfang Nr. 1904

Diese Saison soll sich alles ändern, neue Fahrwasser betreten und der Kurs wieder in Richtung Erfolg gelenkt werden! Der 15.05.2016 war der Stichtag dieses Paradigmenwechsels: Manager Christian Heidel, der neue Kapitän der Nuss-Schale Schalke 04,  übernimmt das Ruder in Gelsenkirchen und macht seine Vorstellung einer funktionierenden Mannschaft mit einem Trainerwechsel deutlich, der sowohl vorhersehbar, als auch aussagekräftig war! Ein bayrisch, geselliger Typ legt seine Arbeit in Augsburg nieder, übernimmt eine der wohl größten Herausforderungen des internationalen Fußballgeschäfts und wird Trainer beim FC Schalke 04. Namen wie Triple-Europa-League-Sieger Coke, Nabil Bentaleb und Benjamin Stambouli werden in die Veltins Arena gelotst und sollen die repräsentativen Gesichter der Schalker-Revolution sein! Heidels Einfluss wird auch schon beim Ringkampf um Welttalent Breel Embolo deutlich und lässt die Euphorie weiter wachsen.  Anschließend folgt eine anfängliche Odyssee. Aber lest selbst […]

Einmal Schleudergang, bitte!

Neue Strukturen, klasse Transfers, altes Muster: Die ersten fünf Ligaspiele werden für die Königsblauen zum blanken Horror – Schongang Fehlanzeige! Weinzierl muss mit seinen Jungs den schlechtesten Schalker Saisonstart aller Zeiten verdauen, Hohn der Presse gibt´s gratis. Die Arbeit hat noch gar nicht richtig begonnen, schon fühlt man sich an alte Zeiten erinnert, in denen der Aufsichtsrat mit den Hufen scharrt, die Journalisten ihre Messer wetzen und den Klubverantwortlichen die Luft knapp wird. Die Reaktion ist dieses Mal allerdings eine ganz andere: Heidel bleibt professionell, realistisch und verdächtig entspannt. Die Trainerfrage ein Tabu, dem Aufsichtsrat wird das Gas eingestellt, die Journalisten beruhigt und mit guten Leistungen zurückgeschlagen. Schalke 04 mischt im Kampf um die europäischen Plätze wieder mit, zurecht!

Dennoch hat all die Auftriebsstimmung auch einen faden Beigeschmack – wie bei verbrannten Plätzchen wenn man so will. Coke fällt frühzeitig mit einem Kreuzbandriss aus, Embolo bricht sich Wadenbein, Sprunggelenk und reißt sich einige Bänder – Nackenschlag par exellence. Die Eurofighter zeigen sich unbeeindruckt, reagieren schnell und effektiv. 17 Punkte aus acht Spielen folgen, starkes Comeback für die totgeglaubten Knappen. Zugegeben, der Tabellenplatz ist dennoch nicht zufriedenstellend, jedoch eine weitaus bessere Ausgangsposition als noch zu Beginn der Saison. Gerade um den Spurt aus der Krise am Leben zu halten, muss der Kader zusätzlich gestärkt werden.

In der Breite liegt die Kraft

„Man power“ war gefragt und wurde geliefert. Initialzünder werden ein Neuling und der trendige Hybrid. Nabil Bentaleb übernimmt die Führung in der Schaltzentrale und lässt Königsblau zum Sprint ansetzen. Während man sich in der Europa League keine Blöße gibt und 15 Punkte aus fünf Spielen holt, klettert man in der heimischen Liga vom Tabellenkeller in Richtung Europa. Die Maschinerie taktet wieder fehlerfrei und liefert positive Resultate, die der anfänglichen Euphorie Muße tun. Parallel probiert sich Weinzierl an der retroperspektiven Dreierkette, als Hybrid natürlich. Denn was wäre die Vergangenheit ohne Modernisierung? Doch stellt sich die Frage: Muss das Scheckbuch erneut gezückt und das Team verstärkt werden? Die Antwort fällt recht deutlich aus, ja!

Ein 3-5-2 Hybridsystem, indem Sead Kolasinac und Alessandro Schöpf die Schlüsselrollen auf den Außenbahnen übernehmen verlangt nicht nur taktisch, sondern auch physisch eine Menge ab. Gerade durch den Ausfall von Coke und dem Positionswechsel von Eric-Maxim Choupo-Mouting (Außenbahn -> Stoßstürmer), aufgrund des Lazaretts in Schalkes Offensive, wird der Kader deutlich dünner als ursprünglich für diese Saison ausgelegt.

Die Zentrale ist gesund besetzt, die Verteidigung steht, aber die Offensive hechelt. Vor allem für die polyvalenten Außenbahnspieler muss mindestens ein Backup gefunden werden, da mit Baba und Konoplyanka zwei Leihspieler in der Pipeline stehen, die bisher wenig überzeugen konnten und das neue System nur schwer verdauen können. Durch die zusätzlich, hartnäckigen Wechselspekulationen um Klaas-Jan Huntelaar (-> Ajax Amsterdam) und Choupo-Mouting (-> Southhampton) wäre zudem ein Stürmer ratsam, vor

„Total voetbal“ und ein „Schwoto-Blakytni“ als Lösung?

Durch einen, nun auf dem Papier durchweg, vernünftig besetzten Kader und den cleveren Wechsel-Geschäften des vergangenen Sommers, würde ein Schrei nach Verstärkung normalerweise, vermutlich zum ersten Mal in den vergangenen fünf Jahren, im grellen Presseblitzlicht verstummen – Normalerweise! Das neue System sowie ein prominent besetztes Krankenlager im rotkreutz´schen Knappenflügel geben dennoch Anlass zumindest den einen, oder anderen Namen zu diskutieren. Zudem wird der „Hunter“ nicht jünger und liebäugelt schon eine ganze Weile mit einer Rückkehr in die Heimat. Um in der Liga Kurs halten und der Europa League das Niveau steigern zu können, drängen vor allem zwei Positionen darauf, sich für ein Gedankenkabinett zu bewerben. Warum hier nicht auch gleich an die Zukunft denken und einem Beispiel wie Borussia Dortmund folgen? Talente sind „trendy“ und überschwemmen geradezu die internationale Gerüchteküche.

Die schon angesprochene Hybrid-Position auf den Außenbahnen könnte ein kleiner, 19-jähriger Tscheche abdecken, der obendrein eine blasse Erinnerung an Arjen Robben mit in die Veltins Arena bringen könnte. Die Rede ist von Vaclav Cerny, Flügelflitzer aus der Youth-Academy von Ajax Amsterdam. Der Junge bringt ebenso viele Minus- wie Pluspunkte mit sich: Ist eigensinnig, inkonstant und vermeidet gerne die rauen Zweikämpfe – fast eine Diva könnte man sagen, jedoch nur allzu „modern“ in der heutigen Künstler-Generation. An die Arbeiterklasse auf Schalker wird er sich dennoch gewöhnen können. Interessant ist der ambitionierte Linksfuß dennoch. Hohes Tempo, ansehnliche Dribblings bis an die Grundlinie und schon fast brasilianische Wendigkeit machen ihn zu einem unheimlich gefährlichen Akteur. Frank de Boer sagte eins: „Der Junge hat das Gespür für den Fußball“ – eines der wichtigsten Attribute, um später auf Weltklasse-Niveau agieren zu können.

Eine Ukrainische Komponente könnte vor Cerny die zweite „Lücke“ füllen – einen zusätzlichen Backup in der Offensiven Zentrale. Viktor Kovalenko ein „schwoto-blakytni“ (ukrainisch: „Gelb-Blauer“) dürfte den Königsblauen noch ein Begriff sein, wenn auch ein Schmerzlicher. Gerade er war mit hauptverantwortlich für das bittere Debakel im Rückspiel des letztjährigen Europa-League-Sechzehntelfinals gegen Shakhtar Donetsk. Der Rechtsfuß ist ein Ausreißer im südamerikanischen Monopol der Ukrainer und wandelt schon jetzt auf den Spuren eines Andriy Shevchenko. Der 20-jährige agiert sehr intelligent, besticht durch fabelhafte Fernschüsse und überzeugt mit „tödlichen“ Schnittstellenpässen hinter die Viererkette des Gegners. „Omnipräsent“ beschreibt ihn wohl am besten! Kovalenko bringt den, bei Schalke oftmals vermissten, Killerinstinkt mit, den er weitsichtig und mit feiner Ballbehandlung auf den Rasen fräst. Zu blauäugig geht er allerdings in Zweikämpfe, die letzte Konsequenz fehlt zu oft! Erfahrung ist bei einem „Rookie“ wie ihm nichts Außergewöhnliches und somit kein Grund, einem Wechsel noch einen jahrelangen Riegel vorzuschieben.

Wie immer gibt es Alternativen: Manolo Giabbiadini, heißes Eisen auf dem internationalen Transferkarusell, ist schon so gut wie auf dem Sprung von Genua in die große weite Welt der Topklubs, die sich um ihn scharen. Klar ist das kein großer Name und doch machen ihn seine derzeitigen Leistungen zu einem vielseitig gehandelten Transferobjekt – gute Stürmer kann man ja nie genug haben. Dortmund, Tottenham, Atletico, Inter, Neapel, oder lieber doch Everton? Alle scouten die 25-jährige Tormaschine aus Italien. Da der Marktwert schon ohne das Tauziehen bei rund 17 Mio. € liegt, wird schnell klar, dass Gabbiadini vermutlich nicht unter 30 Mio. € zu haben sein wird. Viel Geld um im Winter nachzurüsten und bei der Konkurrenz auch eine mehr als fragwürdige Entscheidung in den Poker mit einzusteigen.

Die Defensive als Luxusproblem – 10 + 3 für 3

Um auf die beiden angesprochenen Positionen noch einen draufzusetzen, könnte der Eine, oder Andere auch berechtigt nach Verstärkung für die wacklige Innenverteidigung schreien. Fakt ist, dass mit Höwedes, Naldo und Nastasic eine für die Bundesliga, grundsolide Dreierkette auf dem Feld steht. Ausfallen darf jedoch keiner! Robin Knoche hallt seit geraumer Zeit durch die Gazetten im Ruhrgebiet. Fraglich, ob die Wölfe einen so talentierten, jungen Akteur in ihrer jetzigen Situation abgeben und dann auch noch an den Verein, der ihnen zu Beginn der Saison schon Urgestein Naldo abgejagt hat. Jedoch wird der Fokus durch die Vielzahl an Außenverteidigern, die ebenso die Rolle einer der äußeren Parts der Dreierkette übernehmen können, nicht auf der Defensive liegen. Mit Kolasinac, Baba, Aogo, Coke (wenn rehabilitiert), Uchiha, Riehter und Caicara wartet ohnehin der Eine oder Andere auf seinen Einsatz. Hier Jungs wie Kehrer, Bitter, oder Neumann aus dem erweiterten Kader noch garnicht mit eingerechnet.

Eine bisher gescheiterte Vertragsverlängerung von Sead Kolasinac ändert an der „Not“ nach Nachbesserung nichts, da hier über die Saison hinweg, noch einiges möglich ist und mehr als nur eine Entscheidung nach Verstärkung getroffen werden muss. An der Baustelle „Defensive“ muss weit mehr restrukturiert werden, als oftmals ersichtlich. Ausdünnen wird gefragt sein: Qualität statt Quantität. Doch dafür ist die Wintertransferperiode definitiv nicht die richtige Zeit!

Realismus als Drahtseiltänzer?

Um auf unsere Beide derzeitigen Marktwerte (Cerny: 2 Mio € / Kovalenko: 5 Mio €) sind mit saftigem Aufpreis immer noch bezahlbar und wären als Anlagen für die Schalker Bubi-Truppe definitiv signalisierende Verpflichtungen. Mit Stichwort „Vielseitigkeit“, das heute die meisten Transfers erfüllen müssen, kann vor allem Kovalenko punkten, der vom modernen Spielgestalter, über die Falsche-Neun, bis hin zum Stoßstürmer alles besetzen kann. Cerny agiert zumindest beidseitig und sorgt somit auch innerhalb eines Spiels für Rotation. Rein theoretisch klingt somit ein neuer Arjen Robben, sowie ein Fabregas-Charakter wie Musik in den Ohren eines jeden Schalke-Fans.

Der Ukrainer dürfte vermutlich vielen seiner Landsleute treu bleiben und ebenfalls erst in späten Jahren die Heimat verlassen. Stars wie Altmeister Shevchenko (25 Jahre / AC Milan), Konoplyanka (25 / FC Sevilla), oder Yarmolenko, der mit 26 Jahren trotz horrender Angebote der Heimat gewogen bleibt, konnten ebenfalls erst spät überzeugt werden, die Reise ins Ungewisse anzutreten. Philosophieren lässt es sich also immer leicht, bis man zusätzlich auf die Namen Blickt, mit denen Heidel in einen Wettstreit treten müsste. Liverpool, Barca, die Spurs oder Juventus Turin haben ebenfalls schon den einen oder anderen Scout auf die Tribünen nach Amsterdam und Donetsk geschickt, um die Stars von Morgen zu beobachten, nur um mal die größten Interessenten zu nennen. Bei Embolo hat der neue Manager allerdings schon einmal ein überzeugendes Händchen bewiesen und die Konkurrenz ausgestochen – warum also nicht ein weiteres Mal? Je früher bei Talenten dieses Maßstabs zugegriffen wird desto besser, denn vor allem Kovalenko wird am Ende dieser Saison alles andere als ein Schnäppchen bleiben.

Festzuhalten bleibt, dass die Defensive im Sommer ein großes Thema sein wird, in vorderster Spitze gehandelt und auf den Außenbahnen nachjustiert werden muss. Alles in allem bleibt der FC Schalke 04 eine riesen Herausforderung für Christian Heidel. Dennoch ist man geneigt zu sagen: Wen nicht er, wer dann?!

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