Portugal beheimatet eine der ältesten Fußballligen der Welt, denn die Primeira Liga besteht schon seit 1934. Bereits seit diesen Anfängen teilen größtenteils drei Clubs den Titel unter sich auf: Benfica Lissabon, Sporting Lissabon und der FC Porto. Hinter diesen „drei Großen“ streiten sich die restlichen Teams meist um das übrigbleibende Prestige. Somit herrscht ein extremes Ungleichgewicht vor – dennoch ist die Primeira Liga eine der interessantesten Europas und steht nicht zu Unrecht auf Platz fünf der UEFA-Fünfjahreswertung, noch vor der französischen Ligue 1. Und das, obwohl man im europäischen Vergleich eine etwas eigenwillige Transferpolitik fährt.
Auch letzte Saison: Der traditionelle Dreikampf
Rekordmeister Benfica Lissabon sicherte sich nach 2014 erneut den Titel, es ist nun schon die 34. Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Mit 85 Punkten lag man wieder nur knapp vor dem FC Porto (82), Sporting Lissabon folgte mit 76 Zählern auf Platz drei. Dahinter lagen mit großem Abstand die weiteren Teams. Der SC Braga sicherte sich mit Platz vier die Teilnahme an der Europa League, Vitória Guimaraes und Belenenses Lissabon durften in der EL-Quali antreten, wo sich Belenenses auch bis in die Gruppenphase durchkämpfte. Dort landete auch Sporting Lissabon, nachdem man in der Champions League-Qualifikation an ZSKA Moskau gescheitert war.
Die Primeira Liga als Verkaufs-Liga
Fast schon traditionell werden von den portugiesischen Clubs nur selten teure Neuverpflichtungen getätigt. Viel mehr setzt man an der iberischen Atlantikküste auf die gute Ausbildung von Jugendspielern und sparsame Transferausgaben. Hier werden nach für nach Talente gefördert und an die erste Mannschaft herangeführt oder die für schmales Geld verpflichteten Spieler wieder besser gemacht. Das führt dazu, dass den portugiesischen Vereinen, selbst „den drei Großen“, immer wieder die besten Spieler weggekauft werden. Bestes Beispiel in der jüngeren Vergangenheit: Das überragende Sturmduo Hulk/Falcao des FC Porto. Der Kolumbianer Falcao wechselte 2011 für 40 Millionen zu Atlético Madrid, Hulk 2012 für 55 Millionen zu Zenit St. Petersburg. Auch diesen Sommer geschah wieder selbiges, denn Jackson Martinez, in den letzten drei Jahren Torschützenkönig in Portugal, verließ den FC Porto für 35 Millionen Euro. Wurde er zunächst mit dem AC Mailand in Verbindung gebracht, wechselte er schließlich zu Atlético Madrid. Auch Spieler wie Danilo, Alex Sandro (wechselten für 31,5 bzw. 26 Millionen Euro vom FC Porto zu Real Madrid bzw. Juventus Turin) oder Rodrigo (für 30 Millionen von Benfica nach Valencia) brachten ihren Clubs viel Geld ein.
Auch 2015: Sommerschlussverkauf in Portugal
In diesem Jahr hat sich also wieder das ereignet, was quasi jeden Sommer in Portugals höchster Spielklasse geschieht: Finanzstärkere Clubs aus anderen europäischen Ligen, vorwiegend Spanien und England, kauften so manchen Leistungsträger aus Portugal weg. Allein der neureiche FC Valencia verpflichtete diesen Sommer drei zuvor von Benfica ausgeliehene Spieler für insgesamt 60 Millionen Euro. Insgesamt hat die Primeira Liga für gerade einmal 71,5 Millionen Euro neue Spieler gekauft, jedoch für satte 288 Millionen Euro verkauft. Stolze 121 Millionen entfallen davon auf den FC Porto, 92 auf Benfica Lissabon. In klassischer Manier haben beide Clubs aber deutlich weniger für neue Spieler ausgegeben. Porto reinvestierte immerhin 37 Millionen, davon 20 für den französischen Mittelfeldspieler Giannelli Imbula und 10,5 für den mexikanischen Rechtsaußen Jesús Corona. Außerdem konnte der bei Real Madrid aussortierte, mehrmalige Welttorhüter Iker Casillas ablösefrei verpflichtet werden, ein Wechsel der fast etwas unterging im internationalen Transferkarussell. Benfica backte nochmal deutlich kleinere Brötchen als Porto und holte für bescheidene 15,75 Millionen Euro neue Kicker, zahlte dabei 9 Millionen Euro für den neuen mexikanischen Mittelstürmer Raúl Jiménez an Atlético Madrid. Als Nummer 3 der Liga agierte Sporting Lissabon wiederum noch etwas unauffälliger und holte Spieler für insgesamt 12 Millionen Euro, gab aber auch nur für 13 Millionen welche ab. Auffällig bei Benfica und Porto ist, dass größtenteils Spieler Anfang der 20 geholt werden, also solche, die noch Entwicklungspotenzial besitzen. Sporting hingegen rekrutierte in diesem Sommer viele Spieler um die 30 Jahre.
Die kleineren Vereine und das große Sparen
Hinter den großen Drei der portugiesischen Liga kommt nicht nur in sportlicher Hinsicht lange Zeit nichts, auch bei den Transfers wird in deutlich kleinerem Ausmaß gehandelt. Schon die Europa League-Starter SC Braga, Vitória Guimaraes und Belenenses Lissabon verpflichteten zusammen für gerade einmal 5,25 Millionen Euro neue Spieler, Belenenses gab gar überhaupt keinen Cent aus, sondern holte nur ablösefreie Kicker oder lieh sie aus. Diese Praxis wird auch bei allen weiteren Vereinen konsequent gehandhabt: Von CD Nacional über Rio Ave und Boavista Porto bis hin zu Uniao Madeira wird meist gar nicht in neue Spieler investiert, wenn überhaupt, dann deutlich unter einer Million Euro. Stattdessen werden nur ablösefreie Spieler geholt oder geliehen, meist portugiesische, brasilianische oder auch afrikanische. Diese Praxis hat sich bewährt und ist auch notwendig, denn die portugiesische Liga besitzt nun einmal keinen milliardenschweren TV-Deal wie die Premier League. Da außerdem die großen Drei stets die vorderen Plätze belegen und somit die lukrativen Einnahmen aus der Champions League generieren können, geht es für den Rest nur noch um die eher klammen Einnahme-Möglichkeiten aus der Europa League. Hinzu kommt, dass die Liga erst letztes Jahr wieder von 16 auf 18 Vereine erweitert wurde, u.a. deshalb, weil Boavista Porto gegen den Zwangsabstieg 2008 erfolgreich Einspruch eingelegt hatte. Nun tummeln sich also noch mehr klamme Clubs in Portugals höchster Spielklasse.
Die Top 3 Transfers
1. Iker Casillas
Er mag schon 34 Jahre alt sein, doch durch seine große Erfahrung sollte „San Iker“ DIE Topverpflichtung der Liga sein, erst recht, da er ablösefrei von Real Madrid zum FC Porto kam. Er hat in seiner Karriere alle großen Titel gewonnen und dürfte zur unumstrittenen Nummer eins im Tor werden, auch wenn er inzwischen etwas fehleranfälliger geworden ist.
2. Giannelli Imbula
Nicht nur, weil der FC Porto mit ihm für 20 Millionen Euro den teuersten Transfer getätigt hat, ist der 22-Jährige als starke Neuverpflichtung anzusehen. Der spielstarke junge Franzose ist im defensiven Mittelfeld ein Versprechen für die Zukunft, könnte allerdings in wenigen Jahren schon wieder verkauft werden, dann jedoch für deutlich mehr Geld als er gekostet hat.
3. Jesús Corona/ Raúl Jiménez
Der 22-jährige mexikanische Außenstürmer Corona wurde ebenfalls vom FC Porto verpflichtet und kommt von Twente Enschede. „El Tecatito“ ist beidfüßig, laufstark und torgefährlich, insgesamt sollte er also eine gute Verstärkung darstellen. Raúl Jiménez, ebenfalls Mexikaner, versucht bei Benfica Lissabon hingegen nach einem schwächeren Jahr in Spanien nun wieder fleißig Tore zu schießen. Zwar muss er sich zunächst gegen die Konkurrenten Jonas und Mitroglou durchsetzen, zuzutrauen ist es dem 24-Jährigen aber allemal.
Kurioses zum Schluss: Benfica Lissabon und der „Guttmann-Fluch“
1962 gelang es Benfica Lissabon, den Europapokal der Landesmeister nach dem Vorjahrestriumph erneut zu gewinnen. Doch nachdem der ungarische Trainer Béla Guttmann eine Gehaltserhöhung gefordert hatte, trennte man sich unrühmlich und Guttmann sprach den heute als „Guttmann-Fluch“ bekannten Satz aus, dass Benfica 100 Jahre lang keinen Europacup mehr gewinnen solle. Was folgte, waren Niederlagen im Finale des Europapokals der Landesmeister in den Jahren 1963, 1965, 1968, 1988 und 1990 sowie ein verlorenes Endspiel um den UEFA Cup 1983 und zuletzt zwei Finalniederlagen in der Europa League gegen den FC Chelsea 2013 und den FC Sevilla 2014. Selbst ein Besuch von Eusebio, der einst von Guttmann entdeckt wurde, an Guttmanns Grab 1990 in Wien vermochte den angeblichen Fluch nicht zu brechen. Ob wirklich ein 100-jähriger Fluch auf dem größten Verein der Welt (270.000 Mitglieder) liegt, wird sich in den nächsten 50 Jahren noch zeigen müssen. Vielleicht wird es Benfica aber in den nächsten Jahren gelingen, nicht nur national, sondern auch wieder international einen Titel zu holen – und das trotz oder gerade wegen der zurückhaltenden und doch meist klugen portugiesischen Transferpolitik.