Im himmelblauen Hemd und mit einer beigen Hose bekleidet, welches stilsicher durch einen mahagonifarbenen Gürtel akzentuiert wird, tritt Michael Preetz vor die Kameras: Das Outfit wirkt bewusst gewählt, überzeugt durch seine fast spießbürgerliche Schlichtheit und entspricht der Gelegenheit: War es in letzter Zeit erstaunlich ruhig geworden in der Hauptstadt, so war der Zeitpunkt gekommen, die First Lady Berlins wieder in das Rampenlicht zu rücken. Hertha vermeldete mit Ondrej Duda (21), der etwas schüchtern und im schlichten T-Shirt neben Preetz in der Komposition des anschließenden Pressefotos fast deplaziert wirkt, seinen ersten Neuzugang. Transferkritiker nimmt die Zusammenstellung des neuen Looks genauer unter die Lupe und verrät euch, wieso er zwar in einer anspruchsvollen Modetradition steht, sich jedoch definitiv nicht um einen faux pas handelt.
Eine ganz große Nummer
Ondrej Duda, geboren und aufgewachsen in der Slowakei, debütierte im Juli 2012 bei seiner ersten Profistation, dem heimischen FC VSS Košice. Damaliger Trainer: Jan Kozak, heute Nationaltrainer der Slowakei, größter Mentor und Fürsprecher Dudas. Schon früh erkannte dieser Dudas Potenzial, setzte jedoch auch darauf, ihn behutsam aufzubauen. Anfang 2014, wahrscheinlich auch weil Jan Kozak bereits im Juli 2013 dem Ruf des slowakischen Verbandes gefolgt war, zog es das aufstrebende Talent dann etwas weiter gen Westen nach Polen, wo er sich Legia Warschau anschloss. Direkt in seiner ersten Saison, in der er besonders in der Rückrunde in der Lage war, sein Potenzial aufzuzeigen, konnte er sich den polnischen Meistertitel sichern. In der darauffolgenden Saison konnte er internationale Erfahrung in der Champions League-Qualifikation sowie später in der EuroLeague sammeln – nach der Vizemeisterschaft und dem Pokalsieg in der Saison 2014/15 sowie der erneuten Meiterschaft 2016, sprang Duda schließlich auf dem EM-Zug auf. Dies ist bei weitem jedoch keine Überraschung, hatte er zuvor doch bereits mustergültig alle Jugendmannschaften seines Heimatlandes durchlaufen und war zu jenem Zeitpunkt bereits Bestandteil der Mannschaft. Bei der Europameisterschaft präsentierte er sich neben Superstar Marek Hamsik als einer der auffälligsten Akteure.
Duda, dessen Name schon jetzt kreative Wortspiele in der Hauptstadt anregen wird, kommt mit viel Vorschusslorbeeren zur alten Dame Hertha, die nach längerem, intensiven Flirten, bereit ist, den nächsten Schritt in der noch jungen, aber auf Dauer angelegten Beziehung zu gehen. Schließlich hatte sich Ondrej auch gegen eine Liaison mit der für slowakische Fußballer so attraktiven Bella Italia entschieden. Das Vertrauen, welches sie bereits jetzt in Duda steckt, wird durch seine Trikotnummer untermauert. Duda bekommt die ehrwürdige Nummer 10, die einst Herthas große Liebe Marcelinho trug und die seither mit denkbarer Ehrfurcht belegt, wie ein Schatten über ihrem Haus schwebte. Denn auf einen richtigen Spielmacher, einen mit viel Gefühl im Fuß, mit dem er Hertha beim Tanz auf dem grünen Parkett so verzaubern konnte, hatte sie sich seither nicht mehr einlassen können.
Der Grenzgänger
Duda besticht vor allem durch seine Präsenz auf dem Platz. Er verkörpert dabei nicht zwingend den edlen Filigrantechniker auf der 10er Position, obwohl er zweifelsohne über starke technische Anlagen verfügt. Nicht unbewusst wird Duda, eigentlich eher auf der offensiven 8 beheimatet, Steven Gerrard, Landsmann Marek Hamsik und Franceso Totti als seine Vorbilder sehen, an die er insbesondere durch seinen Siegeswillen und seine Durchschlagskraft erinnert. Duda bringt weitere Dynamik in die Zentrale der Hertha, die mit Darida bereits über einen Dauerläufer auf der etwas weiter hinten gelegenen Position verfügt. Er agiert dabei insbesondere an der Schnittstelle zwischen vorderem Mittelfeld und der Strafraumkante, von der er es weiß, den Abschluss zu suchen oder durch sein gutes Raumverständnis selbst in die Box zu stoßen um dort anspielbereit zu sein oder von dort aus Mitspieler in Szene zu setzen. Dabei besticht er zudem durch überlegte Dribblings auf engem Raum, die ihn durch seine Ruhe am Ball zu einem wertvollen Mann in der Zentrale machen werden. Duda ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein Grenzgänger, der es zwar versteht, Mitspieler durch kluges, wenngleich nicht spektakulaeres Passspiel in Szene zu setzen, jedoch die staerken in den eigenen zugvollen Vorstoessen hat. Zudem ist er in der Lage, präzise und gefährliche Standards zu treten und weiß durchaus auch, wie man den Ball mit dem Kopf über die Linie bugsiert.
Zulegen muss Duda noch in seinem Spiel gegen den Ball und in der Rückwärtsbewegung. Hertha, die auch durch ihre defensiven Verbundsleistungen, in der jeder Spieler quasi minutioes geplant nach hinten arbeitet, erfolgreich ist, verlangt hier ein hohes Niveau an Bereitschaft, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Duda muss sich in die Kompaktheit der Hertha ein- und gegebenenfalls auch unterordnen. Er wird sich also an das sehr disziplinierte Berliner Spiel unter Dardai anpassen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Freiheiten er in der Offensive genießen wird und inwiefern er stärkere Balleroberungen in sein eigenes Spiel einbauen kann. Die Faehigkeit, selbst intensiv gegen den Ball zu arbeiten und sich in ein straff organisiertes Mittelfeldkorsett zurueckfallen zu lassen, wird Duda erst mit der Zeit entwickeln muessen. Laut seiner eigenen Aussage wird sich Duda unweigerlich an das stärkere Niveau der Bundesliga anpassen müssen.
Duda wird sich unter Pal Dardai, der zwar eine strikte systemische Disziplin verlangt, aber unter dem viele junge Spieler im Berliner Kader einen Sprung in ihrer Entwicklung machen konnten, weiter verbessern. Er wird die Position Marcelinhos anders interpretieren: Besass der Brasilianer auch aufgrund der damaligen Spielsweise enorme Freiheiten nach vorne, die er durch seine elegante Technik, kreatives Passspiel und seine Spieluebersicht bestens auszunutzen und das Spiel somit zu orchestrieren verstand, wird Duda besonders durch seine Zentralität und seine , raumgreifenden Vorstöße der Fixpunkt im Angriff der Berliner werden. Die Eingewöhnungszeit wird durch Landsmann Pekarik verkürzt und mit Vladimir Darida könnte ein kongeniales Tandem im Herzen des Berliner Spiels entstehen. Trotz der für Berliner Verhältnisse stolzen Ablösesumme, die zwischen 4,5 und 5 Millionen liegen wird, ein Transfer, vor dem Mann nur den Hut ziehen kann. Die alte Dame Hertha putzt sich heraus und ist bereit, Europa an der Seite von Duda wieder schöne Augen zu machen.
Autor: Julian Wacker