Ömer Toprak. Königstranfer.

Beginnen wir mit einer Überraschung: Ömer Toprak wechselt zum BVB. Nicht überrascht? Gut, dann sind wir wohl etwas spät dran, schließlich steht der Wechsel seit Februar fest. Aber grade jetzt überschatten die Gerüchte um vielleicht (Noch-) Trainer Thomas Tuchel und BVB Boss Hans- Joachim Watzke so sehr die Schlagzeilen, dass schnell vergessen wird, was für ein grandioser Schachzug den Dortmunder da während der laufenden Saison gelungen ist. Wenn da nicht noch was Großes passiert, ist das Dortmunds Wechsel der Saison! Warum? Lest einfach weiter.

Ömer T. aus Ravensburg

Um zu verstehen, warum Ömer Toprak für den BVB so wertvoll werden wird, müssen wir uns seine bisherige Karriere ansehen. Sowohl auf, als auch neben dem Platz.

Toprak kommt als Kind türkischer Eltern im beschaulichen Ravensburg zur Welt, wo er bei den Lokalvereinen TSB und FV Ravensburg, dessen Jugend auch Sebastian Kerk (ausgeliehen an Kaiserslautern) und Jannik Haberer entsprangen, die jetzt beide beim SC Freiburg unter Vertrag stehen, zum ersten Mal die Schuhe schnürte. Nach Freiburg ging auch Toprak und debütierte 2008 in der 2. Liga, wurde schnell Stammspieler und half den Freiburgern beim damaligen Aufstieg ins Oberhaus. 2011 erfolgte dann der Wechsel zur Werkself aus Leverkusen. Wo er bis jetzt so erfolgreich spielt, dass Borussia Dortmund ca. 12 Millionen für ihn zahlt. Was allerdings nur wegen einer Ausstiegsklausel funktioniert. Ansonsten würde er wohl mindestens das doppelte Kosten. Wirtschaftlich also ein Top-Deal!

Neben Topraks Werdegang auf dem Platz, passierten daneben Dinge, die ihn prägten. Bevor seine Karriere so richtig starten konnte, hatte Toprak nämlich einen Unfall beim Kartfahren, bei dem er durch eine Explosion schwer verletzt wurde. Seine Karriere hätte schon vorbei sein können, bevor sie richtig begonnen hatte. Er musste Kampfgeist beweisen und hart arbeiten.

Auch die weitaus bekanntere Pistolen-Affäre in der türkischen Nationalmannschaft formte Topraks Profil. Zur Erinnerung: Im Oktober 2013 stürmte der zurzeit bei West Ham united spielende Göhkan Töre das Zimmer von Hakan Calhanoglu, in dem sich zu diesem Zeitpunkt auch Toprak und ein Freund befanden und bedrohte alle drei mit einer Pistole.

Laut mehrerer Medien erreichte Toprak danach, dass er und Calhanoglu nicht mehr mit Töre zusammen im Kader standen. Unterstützung fand er bei seinem bald neuen Mannschaftskollegen Nuri Sahin, der die beiden öffentlich verteidigte. Toprak bewies also oftmals einen starken Willen und Durchsetzungsvermögen. Aber was leistet er auf dem Platz?

Hüftschwinger

Ömer Toprak ist ein starker Zweikämpfer, der mit seiner Erfahrung ein taktisch unheimlich hohes Level hat. Sein Stellungsspiel und die Positionierung vor Kopfballduellen zählen klar zu seinen Stärken. Im direkten Zweikampf, sowohl in der Luft als auch am Boden, schiebt er gerne mal die Hüfte etwas raus, um den Gegenspieler aus der Balance zu bringen, alles mit viel Routine und absolut im erlaubten Rahmen.

Toprak ist stets konzentriert und auch gut in der Manndeckung, seine Erfahrung sagt ihm, wann er nah an einem Mann zu stehen und mit einem langen Bein die Ballannahme zu verhindern hat.

Nach der oft erfolgreichen Balleroberung gerät Topraks Spiel allerdings ins Stocken. Seine Technik ist nicht ausreichend, um mit Ballbesitz als spielgestaltender IV aufzutreten. Seine Verteidigung endet oftmals auch in hohen Bällen nach vorne, statt im kombinierten Hintenrausspielen. Sein Aufbauspiel konzentriert sich auf flache, kurze Pässe auf 6er oder Außenverteidiger oder auf einen Rückpass zum Torwart. Natürlich spielt Toprak auch mal lange Bälle, meistens aber mehr hoffnungsvoll als präzise.

Obwohl präzises Passspiel ja ein Merkmal der Borussia aus Dortmund ist. Passt es also doch nicht so gut? Dafür müssen wir gucken, was bei den Dortmunder gebraucht wird.

Hinten Dicht, komme was wolle!

Und das ist defensive Stabilität. Mit aktuell (Stand 12.05) 36 Gegentoren stellt man nur die viert beste Defensive der Liga und mit Eintracht Frankfurt (37 GGT) und Schalke (38 GGT) hat man fast so viele Tore kassiert wie die Vereine im Mittelfeld der Liga. Das kann nicht der Anspruch der Dortmunder sein. Viele Gegentore fielen zudem aus individuellen Fehlern, schlechten Absprachen und defensiven Unkonzentriertheit. Genau da kommt Ömer Toprak ins Spiel: Seine Stärken sind die Schwächen der Borussia. Im Ruhrpott würde man sagen: Der passt wie Arsch auf Eimer! Und genau so ist es auch.

Topraks Erfahrung und Sicherheit wird sich positiv auf die Dortmunder Defensive auswirken. Seine Führungsqualität, immerhin in Leverkusen Vize-Kapitän, sollte den vielen jungen Spielern helfen.

Topraks Verpflichtung wird auch den Kampf um die Startplätze anheizen, für die im Moment mit Sokratis, Bartra, Ginter und Bender vier Spieler zu Verfügung stehen. Ginter wird aktuell allerdings mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, während Dortmund möglicherweise mit Dan-Axel Zagadou einen Innenverteidigertalent aus Paris verpflichten könnte.

Die Startinnenverteidigung dürfte Auswirkungen auf das gesamte Dortmunder Spiel haben. Wenn Sokratis und Toprak gemeinsam spielen, geht offensives Aufbauspiel für defensive Stabilität verloren, was zur Folge hätte, dass neben Julian Weigl ein weiterer Spieler für den Spielaufbau zurückfallen müsste. Die bereits bestehende Kombination aus Sokratis/Bartra oder dann bald Toprak/Bartra hat mit dem spielstarken Spanier mehr offensive Möglichkeiten, aber Bartra muss sicherer und klarer in seinen Defensivaktionen werden. Grade deswegen wird er es schwer haben. Die defensive Stabilität sollte dringend im Fokus vom BVB-Coach stehen, wer auch immer das nächste Saison sein wird.

Insgesamt verpflichten die Dortmunder mit Toprak also einen Spieler, der genau das mitbringt, was ihnen in dieser Saison fehlt. Zudem zu einem ausgezeichneten Preis. Kaderplanerisch ein Musterbeispiel, das jetzt auf dem Platz zum Beweis antreten muss. Da Toprak aber über Jahre gute Leistungen in der Bundesliga und auch International gezeigt hat, hält sich das Risiko sicherlich in Grenzen. Alles spricht dafür, dass den Borussen wirklich ein Königstransfer gelungen ist, der zu Unrecht von der Trainerdiskussion überschattet wird.

 

 

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