Max Kruse und der SVW: Hat sich einer von beiden verpokert?

Wir geben zu, die Überschrift ist ein schreckliches Wortspiel mit Bezug auf Max Kruses liebstes Hobby, das Pokerspiel, aber der Vergleich ist kein schlechter. Beim Poker muss man Entscheidungen mit einem sehr ungewissen Ausgang treffen, da die Karten verdeckt sind. Ähnlich verhält es sich beim Fußball. Max Kruse wechselte vor einem Jahr nach Wolfsburg, weil er mit dem aufstrebenden, reichen Werksclub bessere Möglichkeiten sah als mit Borussia Mönchengladbach. Da hat er sich aber wirklich verpokert. Jetzt also der Wechsel nach Bremen. Wolfsburg will wieder nach Europa und Werder nicht absteigen. Kann Kruse seine eigenen Ambitionen auf einmal so zurückstellen oder trifft er wieder die falsche Entscheidung? Und hat Werder Bremen mit der Skandalnudel einen guten Fang gemacht oder wird er im schwierigen Abstiegskampf, in dem alle an einem Strang ziehen müssen, mit seinem Ego Probleme bereiten?

Coming Home

Max Bennet Kruse begann das Fußballspielen beim TSV Reinbeck und SC Vier- und Marschlande in der Nähe Hamburgs. 2006 wechselte er zum SV Werder Bremen, bei dem er nur ein Jahr Später im September 2007 sein Bundesliga Debüt gab. Beim 8:1 Kantersieg (Was waren das für Zeiten für Bremen) gegen Arminia Bielefeld (und auch für Bielefeld) wurde Kruse eingewechselt und bereitete sogar ein Tor vor. Es sollte allerdings sein einziger Auftritt in der ersten Auswahl sein. 2009 schloss er sich den grade abgestiegenen St- Paulianern an, ehe er über Freiburg zurück in die Bundesliga und den Start einer überdurchschnittlichen Karriere fand. Mönchengladbach und Wolfsburg waren die nächsten Stationen, Championsleague und Nationalmannschaft die Folge.

Kruse hatte alles! Bis er nach Wolfsburg ging. Durchwachsene Leistungen und Eskapaden machten ihm das Leben schwer. Im Oktober ließ er 75.000 Euro in einem Taxi liegen und im März kam es zu einem Disput mit einer Reporterin der Bild-Zeitung. Für den Geldverlust verdonnerte Wolfsburg ihn wegen unprofessionellen Verhalten zu einer Geldstrafe und nach dem Discokonflikt strich Jogi Löw ihn aus dem Kader der Nationalmannschaft. Und jetzt ist Kruse wieder in Bremen. Wenn es mal kacke läuft, dann läuft man halt zu Mama. Auch wenn es sich schlecht „Zuhause“ nennen lässt, bei nur einem bestrittenen Spiel. Kruse kann jetzt durchatmen und in Bremen zeigen was er kann, das ist nämlich eigentlich gar nicht mal so wenig.

Krusinho Kruses

2013 erhielt Kruse den „Silbernen Pfeil“ als bester Newcomer und in der Saison 13/14 legte er europaweit die meisten Torchancen (98) auf. Das alles kommt nicht von ungefähr. Denn neben negativ auffallen und pokern kann Kruse auch wirklich gut kicken.

Seine Paradeposition ist die Hängende Spitze von der aus er sich auf die 10er-Position fallen lässt um das Angriffsspiel zu ordnen. Seine fehlende Geschwindigkeit behebt er mit einer engen Ballführung und einem klugen Abschirmen des Balles. Kruse ist ein Offensivspieler, der gerne den Ball fest macht, um seinem Team das Nachrücken zu ermöglichen. Er schirmt den Ball mit dem Rücken zum Tor ab oder bewegt sich horizontal über den Platz, um dann den Ball auf die nachrückenden Außenverteidiger zu verteilen oder, nach einer halben Drehung in Richtung Tor zwischen IV und AV hindurch die stürmenden Außen zu bedienen. Im ersten Fall läuft er anschließend in der Box in Position, um auf die Hereingabe zu lauern. Im zweiten läuft er auch ein, lässt sich dann aber zurückfallen, um sich vom Verteidiger zu lösen und einen Rückpass zu verwerten.

Kruse ist ein das Spiel machender Stürmer. Er hat immer den Blick für den besser postierten Mitspieler und wenn es keinen gibt, ist er sehr abschlussstark. Vor dem Tor die nötige Ruhe und im Strafraum der nötige Torriecher. Eine gute Kombination für einen Stürmer.

Was bei ihm allerdings sofort ausfällt ist, dass er sehr behäbig wirkt, natürlich nur in Relation mit anderen Spielern dieses Levels. Antritt und Geschwindigkeit zählen nicht zu Kruses Stärken und auch die Sprungkraft ist nicht olympiareif. Diese körperlichen Nachteile stören Kruse aber nicht, da sie für seinen Spielstil schlicht nicht notwendig sind. Sein Können als Spielmacherstürmer rundet er durch eine enge Ballkontrolle und einwandfreies, schnörkelloses Dribbling ab. Kruse in Topform ist wirklich ein guter. Also alles gut am Weserstrand?

Grün-Weiß ist nicht Grün-Weiß

Kruses Spielstil wird sich auch in Bremen nicht ändern. Er ist mittlerweile 28 Jahre alt und sollte wissen was er kann. Das System von Wolfsburg und Werder ist allerdings nicht dasselbe. Wolfsburg versuchte es mit dominanten Fußball und der Ball war oftmals in Kruses Nähe, was ihm klar in die Karten spielte. Werders Fußball wird wohl in der neuen Saison eher auf Konter und Umschaltspiel ausgelegt sein. Hier passt Kruse gut als beschriebener Ballverteidiger in vorderster Mittelfeldreihe um die Nachrücker einzusetzen. Er könnte als hängende Spitze um Pizarro rum jeden Angriff der Werderaner dominieren und sollte der alte Pizza mal eine Pause brauchen, dann könnte Kruse auch seinen Platz einnehmen. Taktisch sollte Kruse passen.

All In

Zum Abschluss noch ein Pokerwortspiel. Werder Bremen hat für seine Verhältnisse viel Geld für Kruse bezahlt, der allerdings in Wolfsburg zuletzt nicht sonderlich gut drauf war. Wenn sie es schaffen, dass er sich auf den Fußball konzentriert, dann ist das ein Toptransfer. Falls nicht, dann nicht. All in eben. Für Kruse ist es ein Rückschritt. Er selbst bestreitet das, aber einer seiner EX-Vereine spielt grade erfolgreich Championsleague-Quali und der andere will dieses Jahr unbedingt wieder nach Europa. Werder will nicht Absteigen, alles andere ist Zubrot. Kruse muss sich auf Fußball konzentrieren und kann Werder dann sicherlich helfen, aber Europa wird er oder der Verein dadurch sicher nicht erreichen. Max Kruses hat in Bremen sicherlich gute Karten, aber um hier zu landen, musste er sich in seiner Vergangenheit erst verpokern. Sorry dafür.

Autor: Tobias Haubert

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