Dieser Transfer kam überraschend: Für stolze sieben Millionen Euro Ablöse plus etwaige Nachzahlungen wechselt der zweimalige U21-Nationalspieler Jannes Horn vom VfL Wolfsburg nach Köln. Der geneigte FC-Fan staunt nicht schlecht angesichts der höchsten Ablösesumme, welche die Kölner seit Lukas Podolski locker gemacht haben, und fragt sich: Ist dieser Junge wirklich das ganze Geld wert? Und wenn ja – wieso geben die Wölfe ihn dann derart bereitwillig ab? Die Antworten darauf haben wir für euch hier zusammengestellt.
Als Fan des 1.FC Köln hat man es dieser Tage auch nicht leicht. Hatte man sich jahrzehntelang damit arrangiert, dass der FC irgendwo zwischen erster Liga, zweiter Liga und Größenwahn pendelte, mögliche Transfers wochenlang im Boulevard breitgetreten wurden und am Ende ganze Schubkarren voller Geld irgendwo im großen Spielerberater-Nirwana verschwanden, wirkt die derzeitige Situation für den parteiischen Beobachter geradezu surreal. Als Europa-League-Teilnehmer befinden sich die Kölner plötzlich in einer gänzlich anderen Verhandlungsposition, die rapide gestiegenen TV-Einnahmen heben die Verantwortlichen mit einem Schlag in völlig neue Transfersphären. Und wie aus dem Nichts zaubert Sportdirektor Jörg Schmadtke mit Jannes Horn einen deutschen U-21-Nationalspieler aus dem Hut, der erst vor kurzem seinen Vertrag beim VfL Wolfsburg bis 2021 verlängert hatte und nun für sieben Millionen Euro in die Domstadt wechselt. Ein Betrag, welchen die FC-Fans bis dato bestenfalls vom Hörensagen kannten. Verständlich, dass solch ein Transfer bei manchem FC-Fan eine gewisse Skepsis hervorruft – haben sich die Verantwortlichen da etwa in bester Overath-Manier über den Tisch ziehen lassen?
Hackbraten mit Linsensuppe
Die Skepsis ist nachvollziehbar, allerdings unbegründet. Nachvollziehbar, weil die Entwicklung der Transfersummen in den letzten zwei Jahren derart rapide von Statten ging, dass die Preissteigerung für junge, entwicklungsfähige Talente für den Durchschnittsfan von Welt kaum noch nachvollziehbar, geschweige denn prognostizierbar scheint. Dass der Wechsel eines Zwanzigjährigen, der gerade einmal auf ein knappes Dutzend Bundesligaeinsätze zurückblickt, inzwischen nur unwesentlich weniger Geld verschlingt, wie der Transfer von Bastian Schweinsteiger zu Manchester United vor zwei Jahren, lässt selbst gestandene Finanzexperten zunächst einmal ratlos zurück. Angesichts des enormen Geldzuflusses aus England, China, aber auch durch den neuen Milliardenvertrag der Bundesliga, gilt es wohl schlichtweg zu akzeptieren, dass sich die Maßstäbe auch in Hinblick auf junge Nachwuchsspieler massiv verschoben haben. Oder, um es frei nach Jörg Schmadtke zu sagen: Einen U-Nationalspieler bekommst du heute nicht mehr für einen halben Hackbraten und ein paar Dosen Linsensuppe hinterhergeschmissen. Insofern ist der Betrag für einen talentierten, jungen Nachwuchsspieler mit nachgewiesener Bundesligatauglichkeit zwar hoch, aber vertretbar.
Dynamik, Technik, Schnelligkeit
Zumal Horns Veranlagung für sich spricht: Dynamisch, schnell, technisch stark mit ausgeprägtem Vorwärtsdrang – so lässt sich der Spielstil des Zwanzigjährigen Linksverteidigers kurz und knapp beschreiben. Attribute, welche heutzutage zwar die Grundvoraussetzung für einen mordernen Linksverteidiger darstellen, aber keineswegs von allen Bundesligaspielern auf dieser Position erfüllt werden. Seine Stärken zeigt Horn dabei in erster Linie im gegnerischen Drittel, wo er als umtriebiger und spielfreudiger Unruheherd agiert. Durch seine Dribblings und sein schnelles Kurzpassspiel öffnet er gekonnt Räume zwischen den gegnerischen Abwehrreihen und kann so seine Mitspieler immer wieder gezielt in Szene setzen. Besonders ausgeprägt: seine scharfen und präzisen Flanken, die nicht zuletzt Mario Gomez davon schwärmen ließen, dass Horn „ein großer Linksverteidiger werden“ könne. Ein zentraler Aspekt, der ihm gewisse Vorteile im Kampf um den Stammplatz auf der linken Außenbahn bescheren könnte – landeten die Flanken seines Konkurrenten Konstantin Rausch in der vergangenen Saison doch zumeist irgendwo zwischen Domplatte und Kölner Grüngürtel.
Das Primat der Stunde: Polyvalenz
Was Horn jedoch besonders interessant für die Kölner macht, ist zweifelsohne seine Flexibilität. Wie auch andere, junge Spieler im FC-Kader, siehe Sörensen oder Heintz, kann er in der Viererkette sowohl die Position des Innen- als auch des Außenverteidigers begleiten. Kurzfristige Umstellungen während des Spielverlaufs dürften ihm in dieser Hinsicht keine Probleme bereiten – obgleich er in erster Linie als Außenverteidiger zum Einsatz kommen dürfte, um Nationalspieler Jonas Hector als Option für die Doppel-Sechs freizuhalten. Dass er darüber hinaus auch im linken Mittelfeld oder als Wingback in einem System mit Dreierkette eingesetzt werden kann, macht ihn zu einem äußerst polyvalenten Spieler. Ein Charakteristikum, das für Peter Stöger von besonderer Bedeutung ist, neigt dieser doch dazu, die Kadergröße überschaubar zu halten und dennoch taktisch flexibel agieren zu wollen. Jannes Horn bringt in Puncto Spielverständnis und -intelligenz dahingehend alles mit, um das Spiel der Geissböcke variabel und somit unberechenbar zu gestalten.
Miserable Auftritte gegen Dembélé&Co.
Allerdings wies Horn vor allem in der Rückwärtsbewegung und dem defensiven Stellungsspiel in den bislang dreizehn Ligaeinsätzen seine Klasse hingegen noch nicht ausreichend nach. In den beiden Partien gegen Bayern München, sowie den Auftritten bei Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen stand Horn sogar komplett neben sich, hatte eine miserable Zweikampfquote und war für eine Handvoll Gegentore direkt verantwortlich. Gegen Weltklassespieler wie Robben, Dembélé oder Lahm konnte er seine Fehler im defensiven 1-gegen-1 nicht einmal durch jene Sprintfertigkeiten ausbügeln, die ihn nach Lukas Klünter zum schnellsten Spieler im Kölner Kader machen werden. Sicherlich litt er in besagten Spielen auch unter generellen Schwächen im Wolfsburger Mannschaftsverbund, die eine Verkettung individueller Fehler nach sich zogen. Dennoch liegt es nun in der Hand Horns und des Kölner Trainerstabs, ein reiferes Auftreten im Defensivverhalten als nächsten Entwicklungsschritt anzustreben.
Win-Win-Win-Situation?
Trotz dieser Schwächen im Defensivverhalten, stellt sich die Frage, weshalb die Wolfsburger überhaupt bereit waren, ihr Eigengewächs an einen direkten Konkurrenten in der Bundesliga abzugeben. Die Tatsache, dass man erst kürzlich Horns Vertrag über vier Jahre verlängert hatte, zeigt sicherlich die Wertschätzung, die man von Seiten der Wölfe dem Zwanzigjährigen entgegenbrachte. Allerdings – in den Relegationsspielen kam Horn nicht zum Einsatz, musste kurioserweise ausgerechnet für den Ex-Kölner Yannick Gerhardt weichen. Dass zur kommenden Saison zudem das achtzehnjährige Top-Talent Gian-Luca Itter zu den VfL-Profis stößt, dürfte bei den Verantwortlichen die Überzeugung genährt haben, dass ein Wechsel Horns sportlich zu verantworten sei. Insofern könnte sich der Wechsel des U-21-Nationalspielers mittelfristig als Win-Situation für alle Beteiligten erweisen – vorausgesetzt, Horn nimmt den nächsten Schritt auf der Entwicklungsleiter und agiert im defensiven Zweikampf auch gegen Spitzenspieler umsichtiger und abgeklärter. Dann dürften die Europapokalspiele mit dem FC in der nächsten Saison nicht die letzten Auftritte auf internationalem Parkett bleiben.