Es ist der Abend des 15. Oktober 2013 als Vedad Ibisevic mit seinem 1:0-Siegtreffer für Bosnien-Herzegowina in Litauen ein ganzes Land in einen kollektiven Freudenrausch versetzt. Zum ersten Mal ist das kleine Balkanland, erst seit 1992 unabhängig, bei einer Fußball-Weltmeisterschaft dabei. In den Straßen wird gefeiert, die Nationalspieler werden zu Volkshelden, besonders Ibisevic. Einige Monate später gelingt ihm mit dem 1:2-Anschlusstreffer gegen Argentinien auch das erste WM-Tor für sein Land. Beide Momente werden sicher für immer unvergesslich für Vedad Ibisevic bleiben. Auf Vereinsebene hingegen gab es für den 31-Jährigen in den letzten Jahren nicht sehr viel zu feiern. Nun soll aber mit dem Wechsel zur Hertha nach Berlin die einstige Glanzzeit, in denen Ibisevic als Tormaschine galt, wieder aufgelebt werden lassen. Ob es dem Bosnier gelingt, sich bei Hertha BSC durchzusetzen, welchen Spielertyp er auszeichnet und welche Stärken und Schwächen er mitbringt liest Du im heutigen Artikel.
Sportliche Vergangenheit
Zu Vedad Ibisevics ersten Vereinen in der Jugend zählen der FC Baden und die Saint Louis University, da seine Familie wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage in Bosnien nach dem Bosnienkrieg im Jahr 2000 zunächst in die Schweiz zog und schließlich zu Verwandten in die USA. Daher waren seine ersten Profistationen ab 2003 mit den St. Louis Strikers und Chicago Fire Premier auch außerhalb Europas, bevor er 2004 zu Paris Saint Germain wechselte. Dort spielte er ebenso eine Saison wie anschließend in Dijon und danach bei Alemannia Aachen, ehe er 2007 von der TSG 1899 Hoffenheim, zu diesem Zeitpunkt noch Zweitligist, verpflichtet wurde. Nach dem Aufstieg wusste er in der ersten Bundesligasaison der Kraichgauer wirklich zu glänzen: Mit 18 Toren in der Hinrunde verhalf er Hoffenheim zur Herbstmeisterschaft, ein Kreuzbandriss verhinderte aber, dass er am Ende der Saison Torschützenkönig wurde. Nachdem seine Leistungen bei der TSG in den folgenden Jahren Stück für Stück nachgelassen hatten, wechselte er im Januar 2012 zum VfB Stuttgart, wo er etwa zwei Jahre lang an seine besten Torjägerzeiten wieder größtenteils anknüpfen konnte. Doch besonders in der vergangenen Spielzeit ließen Ibisevics Leistungen nach, kein einziges Tor gelang ihm mehr in 14 Spielen. Kein Wunder also, dass er seinen Stammplatz an den lange verletzten Daniel Ginczek verlor. Da er inzwischen in den Planungen von Trainer Alexander Zorniger keine Rolle mehr spielt, folgt nun der ablösefreie Wechsel nach Berlin.
Spielertyp/ Stärken und Schwächen
Auf kaum jemanden trifft die Beschreibung Mittelstürmer so treffend zu wie auf Vedad Ibisevic. Er ist ein wahrer Vollstrecker im Strafraum, der eiskalt zuschlagen kann. Hat er einen Lauf, dann trifft er wie am Fließband. Seine Kopfballstärke und sein Torriecher sind typische Mittelstürmer-Eigenschaften. Auch seine Erfahrung von inzwischen 202 Bundesligaspielen (82 Tore) und 64 Länderspielen (24 Tore) sprechen für ihn. In guter Form kann er daher für viele Bundesligateams eine Bereicherung sein. Ist jedoch in seinem Spiel erst einmal der Wurm drin, dann richtig. Zuweilen kann Ibisevic dann als eine Art Fremdkörper im eigenen Team gesehen werden, mit nur seltenen Ballkontakten und kaum Bindung zum Spiel. Außerdem verfügt er nicht über die stärkste Technik und Durchsetzungskraft: Hat ihn ein gegnerischer Verteidiger erst einmal im Griff, geht fortan nicht mehr viel, er kann den Ball nicht sehr häufig halten und somit keine Räume mehr für Mitspieler schaffen. In solchen Spielen ist Vedad Ibisevic dann darauf angewiesen, dass ihm seine offensiven Mitspieler Räume und Torraumszenen erarbeiten.
Ibisevic in Berlin
Durch den Wechsel zur Hertha erhofft sich der Bosnier natürlich, wieder an erfolgreichere Zeiten anknüpfen und endlich wieder Tore erzielen zu können. Hertha BSC hofft ebenso auf diese dringend benötigten Tore und darauf, in den Konkurrenzkampf im Sturmzentrum noch einmal neuen Schwung gebracht zu haben. Salomon Kalou darf sich trotz seiner guten Anlagen und der vorhandenen internationalen Erfahrung seines Stammplatzes nicht sicher sein, denn neben Ibisevic werden auch Julian Schieber und Sami Allagui wieder in die Startelf drängen. Alle vier besitzen das Potenzial, den Stammplatz zu erobern, wobei aber außer Ibisevic alle Torjäger auch auf den offensiven Außenbahnen spielen könnten. Dort kämpfen aber auch Valentin Stocker, Roy Beerens, Änis Ben-Hatira oder Genki Haraguchi schon um die Plätze. Nicht außer Acht zu lassen ist ebenso, dass Letztgenannter von Trainer Pal Dardai in der Vorbereitung oder im Ligaspiel in Dortmund auch schon im Sturmzentrum aufgeboten wurde. Bei diesem Hauen und Stechen um die Offensivplätze im meist aufgebotenen 4-1-4-1-System wird Ibisevic also seine Qualitäten konstant unter Beweis stellen müssen, um sich durchzusetzen. Sollte sich Pal Dardai für ihn im Sturmzentrum entscheiden, sollte er aber auch dynamische Außenspieler von der Sorte eines Valentin Stocker aufbieten, die ihm Räume und Vorlagen erarbeiten, doch der Schweizer beispielweise scheint momentan ohnehin gesetzt zu sein.
Fazit
Im Berliner Konkurrenzkampf um die Position im Sturmzentrum wird es nicht einfach für Vedad Ibisevic werden. Doch gerade in den ersten Monaten nach einem Wechsel wusste der Rechtsfuß häufig zu überzeugen und sich in die Startelf zu spielen. Hinzu kommt, dass Ibisevic seinen ersten Einsatz im Hertha-Trikot am 12. September gegen den VfB bestreiten könnte – auf diesen Einsatz dürfte er brennen. Langfristig jedoch wird Ibisevic versuchen müssen, sich wieder besser in das Spiel seines Teams einzubinden. Ist der Bosnier bereit, noch einmal an sich zu arbeiten, könnten ihm noch ein paar schöne Jahre in der deutschen Hauptstadt bevorstehen. Dann ist auch nicht ausgeschlossen, dass er seiner Karriere noch das ein oder andere Highlight hinzufügt.