Der Scheideweg des Sinan Kurt

Mit einer Grubenlampe auf dem Kopf und einer Spitzhacke in der Hand machte sich Michael Preetz in der letzten Transferphase auf die Suche nach jungen Talentjuwelen. Innerhalb der tiefen Stollen unter der Säbenerstraße fand der Manager ein leuchtendes Juwel, welches sich die alte Dame im Laufe der Hinrunde schmuckvoll um den Hals hängte und sie in altem Glanz erstrahlen ließ. Mitchell Weiser, das Aushängeschild des Berliner Neuanfangs. In der aktuellen Transferphase setzte sich Michael Preetz erneut die Grubenlampe auf und kehrte in die erfolgsversprechende Talentgrube der Münchener zurück. Das Juwel was er diesmal ausgegraben hat, funkelt nicht so stark wie einst Weiser, einige leichte Kratzer zieren das Innenleben des Juwels. Auch die eineinhalb Jahre alte Münchener Staubschicht müsste energisch abgeschrubbt werden. Inwieweit Talentschmied Pal Dardai Sinan Kurt wieder zum Funkeln bringen kann und welche Vorteile/Nachteile die Hertha aus diesem Transfer zieht, liest du im heutigen Artikel.

Sportliche Vergangenheit

„Live fast, die young!“ dieses Motto scheint sich Sinan Kurt zu Herzen genommen zu haben. Nach seinem Wechsel in die Jugendmannschaft von Borussia Mönchengladbach im Jahr 2007 ging alles rasant voran. Vielleicht auch etwas zu rasant für den jungen Deutschen mit türkischen Wurzeln. Als Überflieger, dem vieles leichter fiel als seinen Mitspielern, erhielt er in der Jugend der „Fohlen“ eine besondere Förderung. Kurt durchlief ab der U-15 alle Jugendnationalmannschaften des DFB. Als potenzieller neuer Marco Reus wurde Sinan Kurt schon gehandelt, doch der FC Bayern durchkreuzte die Pläne von Max Eberl und lockte den damals 18jährigen im Sommer 2014 nach München. Ein Transfer der nicht nur für Max Eberl zu früh kam. Seit dem Wechsel in die bayrische Landeshauptstadt stagnierte die Karriere des Offensivjuwels. Im Gegensatz zu Weiser und Co. konnte Kurt nie Anschluss an die Profis finden. Die Folge war die Degradation in die Amateurmannschaft. Von diesem herben Rückschlag erholte sich der Überflieger aus dem Rheinland bis heute nicht. Tiefe Kratzer im Ego und den Staub der eineinhalb Jahre trägt er nun mit sich. Für knapp 500.000 Euro wurde Kurt nach Berlin geholt, doch warum feiern die Berliner einen Spieler, der nicht mal in der 4.Liga Leistungsträger war?

Stärken/Schwächen und Spielertyp

Sinan Kurt zeichnet sich durch seine Polyvalenz aus. Es gibt kaum eine Offensivposition, auf der er sich nicht positiv ins Spielgeschehen einbringen kann. Eine Fähigkeit, die Pal Dardai sehr begrüßt. Ähnlich wie bei Mitchell Weiser ist es für den Gegner schwieriger sich auf solche Spieler einzustellen und Dardai kann seine Taktik während des Spiels dynamisch (ohne Wechsel) umstellen. Dabei ist es zunächst egal wo Kurt spielt. Auf der Außenbahn (seine momentane Lieblingsposition) überzeugt er mit seinen Tempodribblings und seinen Fähigkeiten sich im 1gg1 durchzusetzen. Im Zentrum profitiert er von seiner Übersicht und seinem Spielverständnis. Eine schnelle Ballverteilung, geschicktes einsetzen seines Körpers und ein präziser Abschluss lassen ihn auch als hängende Spitze gut aussehen. Allerdings bringt Kurt auch einige Schwächen mit sich. Körperlich fehlt dem 19jährigen noch die Robustheit, die Kilos, die ihm in der Bundesliga in körperlichen Duellen nicht untergehen lassen. Auch seine Spielweise dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum Guardiola ihn in die zweite Mannschaft verbannte. Kurt ist ein „Spaßfußballer“. Dribblings, Tore und Spaß, das steht für den Neuberliner im Vordergrund. Defensivarbeit, Kampfeswillen und Aufopferungsbereitschaft sind bei ihm so beliebt wie Brokkoli bei kleinen Kindern. Auch mental scheint Kurt nicht so ausgereift wie beispielsweise Timo Werner oder Leroy Sané. Es wird euphorisch über Spiele berichtet an denen er teilgenommen hat, so als könne er es selbst nicht fassen. Es fehlt die Abgeklärtheit und die Routine, die andere Spieler in diesem Alter schon mit sich bringen. Der Hype um das Offensivjuwel scheint aber die größte Schwäche des Ex-Müncheners zu verbergen. Der Mann mit der Rückennummer 18 versucht immer möglichst effizient zu sein, so viel zu leisten, dass es gerade reicht. Wenn einem jungen Spieler von vorne rein viele Sachen in Schoß fallen und die Entwicklung trotzdem stagniert, mag dies ein Anzeichen für Faulheit sein. Mit dieser Einstellung kommt man bei der Hertha und vor allem beim FC Bayern nicht weiter.

Aktuelle Situation

Für die Hertha läuft es gut. Man hat entgegen aller Erwartungen die Hinrunde auf dem dritten Tabellenplatz abgeschlossen. Die Augen der Berliner Fans funkeln wieder und die alte Dame zeigt ihren alten Glanz und ihren neuen Charme, den das Team von Pal Dardai mit sich bringt. Der Transfer von Sinan Kurt war definitiv ein Transfer, mit dem die Hertha mittel- bis langfristig plant. In der momentanen Situation dürfte es schwer werden für Sinan Kurt sich in das aktuell gut laufende Getriebe der Hertha einzubringen. Kurt wird zunächst als Joker eingesetzt werden, der dann flexibel für Kalou, Darida oder Haraguchi eingesetzt werden könnte. Ein möglicher Abgang von Roy Beerens könnte die Situation für Kurt im Kampf um einen Platz oder wichtige Einsatzzeit im 4-2-3-1 der Hertha positiv beeinflussen. Für den hochgelobten Offensivallrounder gilt es nun an sich zu arbeiten, denn wenn einer die Hertha und deren Spieler umgekrempelt hat, dann Pal Dardai. Bis zum Sommer 2019 hat nun Dardai vorerst Zeit Sinan Kurt umzukrempeln.

Fazit

Für das Geld kann man nichts falsch machen. So dürfte auch Michael Preetz gedacht haben. Mit Sinan Kurt holt man einen talentierten jungen Spieler nach Berlin, der vielleicht einfach nur die Führung eines fordernden und strengen Trainers braucht. Wenn Sinan Kurt ein hoffnungsloser Fall gewesen wäre, hätte sich der FC Bayern definitiv keine Rückkaufoption in Höhe von angeblich 8 Mio. Euro gesichert. An dieser Stelle dürfen alle Hertha Fans aufatmen. Dennoch dürfte es für den Talentschmied Dardai eine Herausforderung die Macken und den Staub der letzten eineinhalb Jahre wegzuschleifen und dieses Juwel mittel- bis langfristig wieder glänzen zu lassen.

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