Es war einmal eine kleine Pummelfee, die lebte glücklich und zufrieden im magischen Dortmundland, doch dann kam der böse Zauberer Rummedalf und überredete unseren Helden zu einem gefährlichen Abenteuer….
Eine Ähnlichkeit zwischen Götzes Lebenslauf und dem berühmten und mittlerweile erfolgreich verfilmten Roman „der Hobbit oder Hin und zurück“ vom großen Meister J.R.R Tolkien, lässt sich nicht von der Hand weisen. Im Roman bricht der kleine Held auf, um ein Abenteuer zu bestehen und kehrt dann, mutig und an den Aufgaben gewachsen in seine Heimat, das Auenland, zurück. Auch Götze zog hinaus in die Welt, beziehungsweise gen Süden, um ein Abenteuer zu erleben und sich selbst weiterzuentwickeln. Aber hier hören die Ähnlichkeiten auf. Während der Hobbit mutiger und selbstbewusster als jemals zuvor zurückkehrt, weiß niemand so ganz, woran man beim Weltmeistermacher von 2014 eigentlich grade ist. Zumindest eines kann man sagen: So selbstbewusst und spielbestimmend wie vor seinem unrühmlichen Abgang aus Dortmund, ist Götze jetzt grade nicht. Haben die Dortmunder also einen Fehler gemacht?
Götzes Kunst
Damals, in den Dortmunder Meisterjahren, war Götze, trotz seines jungen Alters, einer der Leistungsträger. Er durchlief alle Jugendmannschaften und schaffte einen überragenden Einstieg in den Profifußball. Beim BVB bauten sie ihn aber trotz der guten Leistungen langsam und behütet auf. Er sollte nicht viele Interviews geben und geschützt werden, zu groß war die Angst vor einem schnellen abheben. Denn jeder wusste um seine Kunst: Seine Dribblings und vor allem seine unerwarteten Aktionen, kleine Pässe in Lücken die nur er sieht, sind seine größten Stärken. Ein sicherer Abschluss und, trotz nur 1,76m Körpergröße, sogar Kopfballtore zählen zu seinem Repertoire. Mit seinem tiefen Körperschwerpunkt lehnt er sich leicht über den Ball und beansprucht ihn geradezu. Sein Dribbling wird von seiner außergewöhnlichen Ballkontrolle dominiert. Götze braucht Gegner nicht lupenrein auszuspielen, denn er ist ein Künstler des sich „durchwuselns“. Das klappt aber nur, da er den Ball selbst dann unter Kontrolle hat, wenn sein Gegenspieler ihn berührt. Er wird getackelt und geblockt und ist doch in der Lage sich durchzusetzen. Hinzukommt das vertikale verschieben des Balls in der Vorwärtsbewegung. Götze bewegt sich nach vorn, den Ball verschiebt er aber beinahe Vertikal vor seinem Körper und bietet damit kaum Angriffsfläche für den verteidigenden Gegenspieler. Diese Attribute sind das Geheimnis seiner Raumbeherrschung. All das zeigte er über Jahre beim BVB, in der Nationalelf und zu Beginn auch bei den Bayern, aber Verletzungen und wenig Zuneigung von Pep Guardiola warfen den sensiblen Götze zurück, sodass er zwar immer noch hoch veranlagt, allerdings nicht mehr so selbstbewusst und konstant ist. So kehrt er zum BVB zurück und hofft im gewohnten Umfeld zu alter Stärke zurückzufinden, ungewiss bleibt, ob er damit erfolg hat.
Neuer Trainer und neuer Konkurrenzkampf
Zwar kennt er Borussia Dortmund sehr gut, die Situation jetzt ist allerdings eine andere als damals: Zuerst einmal gibt es keinen Jürgen Klopp mehr, der der große Förderer Mario Götzes war und ihn aus der Jugend der Borussia ins Profitum geführt hat, sondern Thomas Tuchel, der trotz seines stetigen Wandels auf Klopps Spuren doch ein anderer Typ Trainer ist. Jürgen Klopp ist jemand, der das letzte aus seinen Profis rauszukitzeln weiß, was im Fall Götze pure Weltklasse wäre. Thomas Tuchels Aufgabe ist es also nun, Götze wieder aufzurichten und ihm auf sein mögliches Niveau zu bringen. Dass Tuchel das kann, hat er letztes Jahr eindrucksvoll mit dem just Dortmund verlassenden Mkhitaryan bewiesen, der unter Tuchel seine beste Saison in Schwarz-Gelb gespielt hat. So viel besser als unter Klopp, dass Manchester United direkt bereit war 42mio Euro auf den Tisch zu legen, um sich die Dienste des Armeniers zu sichern. Tuchel kann also auch Motivation und Optimierung, was gut für Götze ist, aber wie sieht es im Vergleich zu damals kadertechnisch aus?
Götze spielte damals meist auf der linken Außenbahn und es lässt sich ziemlich sicher sagen: Das wird nicht wieder passieren! In seinen Münchener Jahren hat Götze einen regen Muskelaufbau betrieben, was seiner körperlichen Stabilität gut tat, allerdings auf Kosten seiner Spritzig- und Geschwindigkeit geschah. Außerdem hat kaum eine Mannschaft Europas so viele schnelle und technisch starke Spieler in ihren Reihen, die die Außenbahn beackern können, wie man im Ruhgebiet so schön sagt. Mit Reus, Dembele, Mor, Schürrle, Pulisic, Guerreiro (der diese Position auch spielen kann) Durm (der letzte Saison dort schon ran musste) und möglicherweise Aubameyang (falls an den Gomez-Gerüchten etwas dran ist) ist Dortmund auf den offensiven Außen sehr gut aufgestellt. Götzes Platz wird wohl deswegen entweder in der zentralen Position einer offensiven Mittelfelddreiherreihe sein oder auf einer flexiblen 8. Seine technische Stärke und seine außergewöhnlichen Aktionen und überraschenden Pässe würden in Kombination mit den handlungs- und generell schnellen Offensivspielern des BVB die gegnerischen Abwehrreihen vor massive Probleme stellen.
Das Problem für Götze ist hierbei allerdings wieder: Die Konkurrenz! Götze wird sich auch in Dortmund, wie in München auf jeder Position der Konkurrenz stellen müssen. Dass Götze nicht nur wegen seines Namens und früherer Verdienste auf dem Platz stehen wird, sollte so klar sein, wie ein Befreiungsschlag von Sokratis. Mit Rode, Castro, Kagawa, und Merino hat er kein leichtes Spiel. Grade Castro scheint, nach den Erkenntnissen der ersten Testspiele, in einer sehr guten Verfassung zu sein und auch Rode will es nach seiner Bayern-Zeit allen beweisen! Mikel Merino verkündete bereits, nicht nach Dortmund gekommen zu sein, um auf der Bank zu sitzen und auch für den japanischen Superstar Kagawa ist das keine Alternative. Auf der sogenannten falschen 9 hat es Götze in der Nationalelf öfter mal versucht und gute und schlechte Spiele gemacht. Als Durchbruch ist das nicht zu bezeichnen. Falls Aubameyang sich verletzen sollte oder die Dortmunder wieder auf einen sehr tief stehenden Gegner treffen, dann wäre das allerdings auch für Tuchel eine Alternative. Enge Räume sind so oder so Götzes Wohlfühloase.
Karl-Heinz Rummenigge sagte zu Götzes Abschied, dass dieser einfach spielen müsse und das beim FC Bayern halt, der Konkurrenz geschuldet, nicht immer möglich sei. Bei den Bayern glaubt wohl auch niemand so recht daran, dass Götze in Dortmund wieder zu seinem Spiel findet, denn die Stärkung eines Konkurrenten ist beim Rekordmeister wohl eher weniger das typische Geschäftsmodell.
Besser als jemals zuvor
Also fassen wir mal zusammen. Götze ist im Formtief und das so richtig. Er braucht einen Verein und einem Trainer der ihm Vertrauen schenkt und ihn wieder aufbaut. Genau das findet er in Dortmund. Sollte seine Lust am Fußball wieder geweckt werden, dann muss er die große Konkurrenz in Dortmund nicht fürchten, sondern kann noch weiter an ihr wachsen. Es sollte nämlich nicht vergessen werden, dass Götze erst 24 Jahre jung ist. Vor ein paar Saisons wäre das noch Talentalter gewesen. Thomas Tuchel ist ein Künstler der personalisierten Belastungssteuerung und wer einen sensiblen Menschen wie Mkhitaryan wieder Power einflößt, der schafft das auch bei Götze. Klar ist es riskant, aber Transferkritiker legt sich fest: Götze wird in Dortmund nicht der Alte, er wird besser als jemals zuvor.
Und damit ist die Geschichte von der Pummelfee und dem Hobbit eben doch dieselbe. Beide werden stärken. Einer rettet das Auenland und der andere vielleicht das fußballerische, schwarz-gelbe Ruhrgebiet.