Von einer Quadratur des Kreises spricht man bei einem mathematischen Problem, bei dem man in möglichst wenig Schritten ein Quadrat aus einem Kreis erstellen soll. So weit, so gut, aber: was hat dies nun mit Denis Zakaria zu tun? Rechenmeister Max Eberl stand nach dem Bruch der nahezu perfekt harmonierenden Doppelsechs aus Christoph Kramer und Granit Xhaka – Kramer ging zu Beginn der Saison 2015/2016 nach zweijähriger Leihe zurück zu Leverkusen – gemeinsam mit Trainer Lucien Favre vor dem Problem, die Aufteilung in der Mittelfeldzentrale so neu erfinden zu müssen, dass sie eine in ähnlichem Maße funktionierende Einheit bildet. Gelang dies durch die große Konstante Xhaka gepaart mit Mo Dahoud unter dem dann neuen Trainer André Schubert in Saison eins nach Favre noch ziemlich gut, so offenbarten sich insbesondere in der ersten Hälfte der abgelaufenen Spielzeit – auch aufgrund Schubert’scher Systemwechsel – große Schwierigkeiten in der Abstimmung zwischen eben jenem Dahoud und Rückkehrer Christoph Kramer. Zwar war Dieter Hecking durch die Rückbesinnung auf ein leicht modifiziertes 4-4-2 in der Lage, die Probleme in der Zentrale stark zu verbessern, die Quadratur der 6 schien jedoch noch nicht optimal. Warum genau dies nun mit Denis Zakaria gelingen kann, analysiert Transferkritiker im Folgenden.
Bestandsaufnahme der Gladbacher Defensive: das Codewort heißt “Zugriff”
An dieser Stelle könnte man lange auf den bisherigen Werdegang des Schweizers, Sohn eines Kongolesen und einer Sudanesin, bei Servette Genf und den Young Boys Bern eingehen oder darauf, dass er durch seinen Ruf als bodenständiger und sympathischer Zeitgenosse abseits des Platzes wohl keine Probleme bei Eberls berüchtigtem “Charaktertest” gehabt haben dürfte. Anekdotisch könnte man auch noch erwähnen, dass Zakaria von Gladbachs mitgereisten Fans beim Champions League-Qualifikationsspiel in Bern derart begeistert war, dass es bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Auf weitere Ausschweifungen wird an dieser Stelle verzichtet, da sie zum einen in jedem journalistischen Artikel über Zakaria zu finden sind und zum anderen eine Analyse der Gladbacher Defensive wichtig scheint, um den Transfer besser einordnen zu können.
Erinnert man sich an die Anfänge dieser Saison unter André Schubert zurück, so war es vor allem ein Problem, das die Gladbacher bis zur Winterpause zu verfolgen schien: der fehlende Zugriff im Mittelfeld, durch den auch besonders defensiv das Gesamtgefüge ins Wanken geriet. In der Zentrale vermochten es Dahoud und Kramer – eigentlich zwei Dauerläufer par Excellence – nicht, die Angriffsversuche der gegnerischen Mannschaften so zu unterbinden, dass diese Vorstöße bereits vor dem letzten Drittel entscheidend unterbunden werden konnten. Diese fehlende Abstimmung, die in letzer Konsequenz dazu führte, dass Kramer und Dahoud in vielen Situationen den berühmten „Schritt zu spät“ am Mann zu sein schienen, war auch Resultat der viel kritisierten “fliegenden Systemwechsel” Schuberts während des Spiels. Dieter Hecking verpasste Gladbach wieder ein Favre’sches Korsett samt neuer Rafinesse und auch die Abstimmung zwischen Kramer (bzw. zwischenzeitlich Tobias Strobl) und Dahoud verbesserte sich.
Insgesamt hilft an dieser Stelle ein Blick auf die Statistiken der Gladbacher Defensive: entgegen mancher Beobachtungen kassierte Gladbach ligaweit die wenigsten Gegentoren nach direkten gegnerischen Kontern (4; Platz 1). Auch bei Kopfballduellen in der Defensive liegt Gladbach auf Rang 1 der Liga (63% der Duelle wurden gewonnen) – ein nicht unerheblicher Verdienst von Yannick Vestergaard. Nun folgt das große Aber: Gladbach kassierte 14 Gegentore nach Ballverlusten (Platz 16) und 7 Weitschussgegentore (Rang 11). Dies ist auch auf einen fehlenden Defensivpart im zentralen Mittelfeld zurückzuführen; mit Xhaka, der deutlich tiefer stand und das Spiel durch kluge Zweikampfführung oder geschickte Fouls zu unterbinden wusste, funktionierte die Absicherung deutlich besser. Kramer, eigentlich eher der Typ Box-to-Box Player, vermochte es, trotz seines intelligenten Zulaufens von Räumen, nicht, den defensiveren Part (spiel-)entscheidend zu interpretieren. Hinzu kommen, trotz seiner effizienten Schnittstellenpässe, die vielen Ballverluste in der Vorwärtsbewegung eines Mo Dahoud.
Zakaria als Herzstück: dynamische Treibjagd
Mit Denis Zakaria bekommen Dieter Hecking und Gladbach in der Zentrale nun einen Spieler, der diesen fehlenden, defensiv ausgerichteten Part in der Mittelfeldzentrale ausfüllen kann. So kommt der junge Schweizer vor allem über seine Stärke im Zweikampf (72% in direkten Duellen und Tacklingsituationen) ins Spiel. Dabei bringt Zakaria eine physische Präsenz in das Kernstück des Gladbacher Spiels, die es so seit Jahren nicht gegeben hat. Zwar war Xhaka in seiner Blütezeit am Niederrhein Wortführer und Raubein, die Größe Zakarias verleiht dieser Position jedoch eine zusätzliche Wucht. Zakaria agiert im Mittelfeld im direkten Vergleich mit Mo Dahoud in der Defensivbewegung enger am Mann und versucht buchstäblich, dem Gegenspieler den Ball abzujagen. Nicht wenige beschreiben seine Spielweise als nervtötend für gegnerische Mannschaften, da er in der Beharrlichkeit nach dem Ball unnachgiebig auftritt. Gepaart mit seinem taktisch gut geschulten Stellungsspiel (hier wird das Niveau der Bundesliga für einen zusätzlichen Schub sorgen) ist es so für Mannschaften, die gegen Zakaria spielen, schwer, das Mittelfeld schnell zu überbrücken und ihr Spiel um den Mittelkreis herum in Ruhe aufzuziehen. In vielen Situationen unterbindet Zakaria das Spiel dabei schon an entscheidenden Schnittstellen.
Seine hohe Grundschnelligkeit sorgt auch dafür, dass Zakaria nach eigenem Ballgewinn oder in Umschaltsituationen Explosivität in das Spiel nach vorne entwickeln kann – hier erinnert er in Ansätzen in der Tat an sein großes Vorbild Paul Pogba. Zakaria ist dabei in der Lage, schnell die ersten Meter im Mittelfeld hinter sich zu lassen und aus der Bewegung oder aber von hinten heraus raumeröffnende Pässe zu spielen (seine durchschnittliche Passlänge liegt bei 18 Metern), die das Spiel auf die offensiven Außen oder direkt in die Spitze verlagern. Es sind dabei weniger die Schnittstellenpässe a la Mo Dahoud in die entscheidende Lücke vor dem Tor, die ihn für die Offensive wichtig machen, sondern eben jene öffnenden Spielzüge – oft auch vorletzten Pässe – die seine Qualität in der Vorwärtsbewegung untermauern.
Mögliche Schwächen Zakarias liegen in der höheren Belastung der Bundesliga, an die er sich möglicherweise erst gewöhnen muss. In manchen Aktionen agiert der Schweizer, auch seinem Alter geschuldet, zudem etwas überhastet oder hitzköpfig; dies kann man gut und gerne aber als Kehrseite seiner sonst aggressiven Verteidigungsweise bezeichnen – etwas, das in Gladbach seit dem Abgang Xhakas vermisst wird und von Eberl als “Schweinehund auf dem Platz” bezeichnet worden ist. Dabei agiert Zakaria aber bei Weitem nicht unsicher am Ball. Seine Diagonalpässe können in manchen Momenten noch etwas Drive und Präzision vertragen, in einzelnen Momenten verharren durch den fehlenden Punch etwas lange in der Luft und werden so für Verteidiger berechenbar. Es wird zudem abzuwarten bleiben, wie schnell sich Zakaria in der Bundesliga akklimatisieren wird – auf persönlicher Ebene werden die zahlreichen Eidgenossen im Kader der Fohlenelf sicher helfen können.
Zakaria und Kramer: Das neue Herzstück des Teams?
Zakaria agiert in seinem Positionsspiel zwischen den Räumen der Sechs und Acht, seine Bewegungsabläufe im Spiel sind hier auch aufgrund seiner laufintensiven Spielweise fließend. In einer möglichen Kombination mit Christoph Kramer, die laut Eberl als wahrscheinlich gilt, wenn sich beide in der Vorbereitung durchsetzen sollten, könnte Kramer zu seiner alten Stärke als treibender Spieler nach vorne finden, die ihm letztlich seinen Platz im Weltmeisterkader bescherte. Da auch Zakaria diese Qualitäten im Vorwärtsdrang mitbringt, ist es wahrscheinlich, dass sich beide – wenn sich die ersten Automatismen und Bewegungsabläufe einschleifen – situativ die Aufgaben in Defensiven und Offensive teilen und sich im Wechsel vor- oder hintereinander positionieren werden. Kramers Zulaufen des Raumes und Zakarias aggressive Balljagd wirken auf dem Papier für den defensiven Zugriff im Gladbacher Spiel vielversprechend. Doch auch offensiv sollten die Fans schnell Geschmack an diesem Team gewinnen dürfen. Gerade in einem von Dieter Hecking ins Spiel gebrachten 4-3-3 (beispielsweise mit Kapitän Lars Stindl oder Jonas Hofmann als offensiver 8) könnten Zakarias Verlagerungen auf Fabian Johnson/Vincenzo Grifo oder Hazard/Traoré/Herrmann eine ganz andere Dynamik in das Gladbacher Spiel bringen. Mit Zakaria dürfte das Spiel der Gladbacher jedenfalls einen Tick härter, leidenschaftlicher und unberechenbarer werden. Gute Voraussetzungen also, dass Zakaria ein Teil des neuen Herzstücks bilden wird. Die Quadratur der 6 kann in der nächsten Saison gelingen.