Es bleibt diese Saison ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn du ein junger Kicker bist und so ausgezeichnet spielen kannst, dass du entweder mit Ronaldo, Messi oder Ibrahimovic verglichen wirst, dann klingelt irgendwann dein Telefon mit einer Dortmunder Vorwahl auf dem Display. So war es wohl auch bei dem jungen Schweden Alexander Isak, den Borussia Dortmund kurz vor Ende der Wintertransferperiode noch verpflichtet. Die Dortmunder Transferaktivitäten folgen einer klaren Schablone, kaufen nach Zahlen so zu sagen: Jung, hochtalentiert, von Europa gejagt und mit ausgezeichneter Perspektive.
Das große Argument der Borussia ist, dass sie mit Spielern wie Lewandowski, Hummels oder Götze bereits bewiesen haben, dass sie Talente zu Weltstars formen können. Außerdem winken in dem Dortmunder Jugendkader mit der Tuchelschen Rotation mehr Einsatzminuten als bei anderen europäischen Topklubs, wo nach einer Bankrunde wohl eine Leihe zu einem Mittelklasseklub, statt unter die Woche die Cl-Hymne winkt. Hat Alexander Isak also alles richtig gemacht? Dortmund zumindest zahlt rund 8 Mio. und trägt kein großes Risiko. Blicken wir auf Isaks ersten Wechsel.
Treu?
Genau das ist Alexander Isaks Wechsel zum BVB nämlich: Der erste seines Lebens! Im Alter von 6 Jahren (das war übrigens 2005, jetzt fühl ich mich alt) begann Isak das Fußballspielen beim AIK Solna (Allmänna Idrottklubben, dt. Allgemeiner Sportklub). 10 Jahre später erfolgte das Profi Debüt. In was für Fußballzeiten wir mittlerweile leben, zeigt, dass bei einem Profidebut mit 16 Jahren niemand mehr wirklich verwundert seine Augen reibt.
Isak machte seine Sache jedenfalls gut, was ihm dazu verhalf vor wenigen Wochen ebenfalls sein erstes Spiel für die schwedische Nationalmannschaft zu bestreiten. Aufgrund der Ähnlichkeiten der Karrieren, wird er in Schwedens Fußballmedien, eigentlich erwartbar, als der neue Ibrahimovic bezeichnet. Wie auch der polarisierende Zlatan wechselt Isak mit großem Talent, jung und für relativ viel Geld zu einem europäischen Spitzenteam. Aber was zeichnet ihn sonst aus? Hat er was von Ibrakadabra?
Ibrak?
Zumindest von der Körpergröße finden sich schon wieder Ähnlichkeiten zwischen Ibrahimovic und Isak. Mit 1,90 ist auch Isak ein relativ groß gewachsener Schwede. Während Zlatan auf fünf Zentimetern mehr Größe allerdings auch deutlich ausgeprägtere Muskeln verteilt hat, ist Isak eher aus der hageren Abteilung. Seine langen, dünnen Beine lassen sich allerdings zu so schnellen, kleinen Schritten hinreißen, dass der geneigte Zuschauer denken mag: Mensch Junge, jetzt mach doch mal nen großen Schritt. Aber Isak ist auch mit kleinen Schritten flott unterwegs und die Füße sind näher am Ball, um mit der Sohle die Richtung zu ändern oder den Ball vertikal vom rechten auf den linken Fuß zu schieben.
Isaks Oberkörper ist dabei immer ein wenig über den Ball geneigt. Sein Lauf erinnert ein bisschen an Bellarabi, der auch gern den Kopf runternimmt und den Speed anschaltet. Dieses Vornüberbeugen heißt aber nicht, dass Isak keine Augen für die Mitspieler hat, sondern eher, dass er den Ball bei jeder Aktion voll für sich beansprucht. Mein Ball, versucht doch ihn zu holen schreit seine Körpersprache einem entgegen. In der Bewegung kann er den Ball damit auch gut gegen Angriffe abwehren, sobald ein Verteidiger aber körperlich agiert, hat er dem nicht viel entgegenzusetzen.
Vor dem Kasten beweist er bereits eine gute Treffsicherheit, was als Stürmer nicht verkehrt nicht. Rund um den Strafraum kann er sich mit solider Technik aber auch im 1 gegen 1 durchsetzen und Mitspieler in Szene setzen. Die Bundesliga ist selbstverständlich eine (Achtung) ganz andere Liga. Um gegen Hummels, Höwedes oder Süle zu bestehen, muss Isak sicherlich noch an sich arbeiten, aber die Ansätze sind da. Die Veredelung seines Könnens liegt nun in der Hand von Thomas Tuchel.
Tuchel sieht vor lauter Talent die Beine nicht
Und der kann Talent, aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wie viele Toptalente verträgt eine Mannschaft, bevor die Jungs nicht genug individuelle Förderung erhalten und logischerweise im vermutlich wichtigsten Entwicklungsschritt, den vom Talent zum Star, stagnieren? Mit Mor, Dembele, Pulisic, Passlack und Weigel, Ginter und Guerreiro noch nicht mal mitgerechnet, tummelt sich in Dortmund so viel hochklassiges Talent wie in keiner anderen Mannschaft Europas. Selbst Fans werden langsam stutzig. Dabei war es noch nicht einmal verkehrt, auf der Sturmposition tätig zu werden. Schließlich rufen Europas Fußballportale fast tägliche neue Wechselgerüchte für Superstar Aubameyang auf, die alle samt mit modernen Wahnsinnssummen verbunden sind. Neben Aubameyang ist nach Ramos Abgang auch kein anderer Stürmer mehr vorhanden.
Die Stagnation werden also möglicherweise andere Talente zu spüren bekommen. Allen voran Emre Mor, der die deutlich wenigste Einsatzzeit in der Hinrunde bekam. Isak steht im Fokus, da er Aubameyang irgendwann beerben soll. Bis dahin ist es aber noch viel Arbeit. So gesehen war es sicherlich ein Fehler einen gestandenen Profi wie Ramos, der bewiesen hat, dass er als zweiter Stürmer und Einwechselspieler für die Mannschaft gut funktioniert, im Winter ziehen zu lassen. Aus Mannschaftskreisen ist allerdings auch zu hören, dass das nicht die Absicht Tuchels war.
Call me
Für Isak persönlich ist also alles gut. Er wechselt jung, wie schon Zlatan, zu einem Topklub, der ihn mit großer Sicherheit Spielpraxis geben wird, die er sich aber im Training erkaufen muss. Zudem steht ihm eine große Zukunft bevor und ein toller Start in die Karriere, wenn er Aubameyangs Nachfolge antreten darf. Der BVB hingegen trägt bei ihm kein großes Risiko, riskiert aber die Entwicklung anderer Spieler. Hoffentlich nicht mit Kalkül.
Vor Isak jedenfalls liegt harte Arbeit und vielleicht kann er mit einer guten Entwicklung dafür sorgen, dass auch weiterhin junge Toptalente den Hörer abnehmen, wenn die Dortmunder Vorwahl leuchtet. Denn vielleicht heißt es ja schon im Sommer: Selbe Transfers wie im letzten Jahr Aki? Selbe Transfers wie im letzten Jahr, Michi!