Vereinsporträt: Athletic Bilbao – Der baskische Verein schlechthin

Es ist der Abend des 14. August 2015 als die Stimmung im Stadion San Mamés in Bilbao wahrlich überkocht. Soeben hat der heimische Club Athletic Bilbao im Hinspiel des spanischen Supercups den FC Barcelona mit 4:0 aus dem Stadion geschossen, Stürmer Aritz Aduriz dabei in der zweiten Hälfte einen lupenreinen Hattrick erzielt. Es ist der entscheidende Schritt zum Gewinn des Supercups drei Tage später mit einem 1:1 in Barcelona, was den ersten Titel seit 1984 bedeutet. Doch welche Mannschaft hat da den fast übermächtigen FC Barcelona, Triple-Gewinner der letzten Saison, eigentlich bezwungen? Die Antwort: Ein Team eines wirklich einzigartigen Vereins. Denn in Bilbaos Mannschaft spielen nicht nur ein Spieler mit baskischer Vergangenheit, auch nicht zwei, nicht drei, nicht vier – nein, alle Spieler sind Basken oder haben im Baskenland das Fußball spielen gelernt.

Eine ungewöhnliche Vereinsgründung und die Zeit unter einem anderen Namen
Das historisch korrekte Datum für die Vereinsgründung von Athletic Bilbao ist immer noch umstritten. Einerseits gründeten britische Minen- und Werftarbeiter in den 1890er Jahren in Bilbao, damals eine der wichtigsten Hafen- und Industriestädte Spaniens, den Athletic Foootball Club. Andererseits gründeten baskische Studenten nach ihrer Rückkehr von britischen Universitäten zusammen mit Studenten des Gymnasiums Zamaicos 1898 den Athletic Club. Dieses Datum wird als offizielles Gründungsdatum von Vereinsseite angegeben. Doch auch das Jahr 1903 kommt in Frage, als beide Teams zum Athletic Club zusammengelegt wurden, nachdem man schon 1902 mit einem gemeinsamen Team die Copa del Rey gegen den FC Barcelona gewonnen hatte. Noch immer ist nicht ganz geklärt, seit wann einer der erfolgreichsten Vereine im spanischen Fußball offiziell besteht. 1941 musste der Verein seinen Namen in Atlético Bilbao ändern, da Diktator Franco nach dem spanischen Bürgerkrieg ausländische Bezeichnungen in der Liga verbieten ließ. Zwar wurden in den 40er und 50er Jahren weiterhin große Erfolge gefeiert, doch erst 1975, nach dem Tod Francos, konnte sich der Verein wieder in Athletic Bilbao umbenennen.

Große Tradition im spanischen Fußball
Seit Gründung der Primera División im Jahr 1928 ist Athletic Bilbao noch nie abgestiegen und damit zusammen mit Real Madrid und dem FC Barcelona nur einer von drei Clubs, die bisher immer erstklassig waren. In der ewigen Tabelle der spanischen Liga bedeutet dies Platz drei, natürlich hinter den „Königlichen“ aus Madrid und dem FC Barcelona, sowie knapp vor Atlético Madrid und dem FC Valencia. Achtmal konnte die spanische Meisterschaft errungen werden, zuletzt 1983 und 1984, als Trainer Javier Clemente einen sehr defensiven Fußball spielen ließ. Außerdem wurde bisher 24 Mal der spanische Pokal geholt, ebenfalls zuletzt 1984, obwohl man seit 2009 dreimal im Endspiel stand, jedoch immer gegen den FC Barcelona verlor. Anfang dieser Saison nahm Bilbao schließlich Revanche und holte sich gegen die Katalanen den spanischen Supercup, zum zweiten Mal nach 1984. Einen internationalen Titel kann der Verein hingegen noch nicht vorweisen, da man sowohl 1977 als auch 2012 das Finale des UEFA-Pokals bzw. der UEFA Europa League verlor. Ausgerechnet ein spanischer Rivale vermieste 2012 den Titelgewinn, denn Atlético Madrid entschied das Finale in Bukarest mit 3:0 für sich. In der letzten Saison belegte Athletic in der Primera División den 7. Platz und darf somit wieder einmal in der Europa League starten, dort trifft man u.a. zunächst auf den FC Augsburg.

Eine wahrhaft einzigartige Vereinsphilosophie
Während quer durch Europa und auch in der spanischen Liga die Vereine stets Spieler unterschiedlichster Nationalitäten verpflichten, geht Athletic Bilbao einen ganz anderen Weg. Bis Ende der 1990er Jahre wurden nur baskische Spieler unter Vertrag genommen. Inzwischen ist die Personalpolitik aber etwas gelockert und auch Spieler, die bei baskischen Vereinen ausgebildet wurden, können verpflichtet werden. Dies umfasst Kicker aus den baskischen Provinzen Bizkaia, Gipuzkoa, Álava und Navarra in Spanien und Labourd, Soule und Nieder-Navarra in Frankreich. Insgesamt sieht sich der Verein quasi als baskische Nationalmannschaft und ist eng mit dem Wunsch der Basken nach Unabhängigkeit verbunden, er ist der Stolz der Region. Viele Spieler von Athletic sind daher auch sehr loyal zum Verein und verbringen den Großteil oder gar ihre ganze Karriere im Club, nicht nur, weil sie schon in der Jugend bei Athletic ausgebildet wurden. Alles in allem entsteht somit, auch durch den kleineren finanziellen Handlungsspielraum im Vergleich zu vielen anderen Vereinen, ein Gefühl der Einheit bei Athletic Bilbao. Dies gleicht auch schon mal viele Jahre der Titellosigkeit aus.

Die Talentschmiede „Lezama“
Da die Möglichkeiten neue Spieler zu verpflichten aufgrund der Vereinspolitik sehr begrenzt sind, unterhält Athletic Bilbao die Talentschule Lezama. Nahe der Stadt durchlaufen hier die Spieler erst einmal alle Jugendmannschaften von Athletic, bevor sie die Chance haben, in die Profimannschaft aufzusteigen. Den Scouts entgeht dabei kaum ein Talent aus der Region, das nicht für die Jugendabteilung verpflichtet wird. Wird man dort erst einmal ausgebildet, sind die Chancen gut, später auch Profifußballer zu werden, denn knapp 80 Prozent von Bilbaos Kader entstammen der Jugendabteilung. Wer den Sprung in Bilbaos Kader verpasst, hat aber immer noch ordentliche Chancen, bei einem anderen Verein zu landen. Dadurch dass die Bilbao-Spieler meist schon die Junioren-Mannschaften gemeinsam durchlaufen haben, ist ihr Zusammenhalt noch einmal größer. Insgesamt gilt die Kaderschmiede Lezama als eine der besten Nachwuchsabteilungen Spaniens und ist essenziell für Athletic, aber auch wichtig für die spanischen Junioren-Nationalteams.

Das San Mamés – Die Kathedrale des Fußballs
Zu einem außergewöhnlichen Verein gehört auch ein außergewöhnliches Stadion. Denn der Name leitet sich vom Heiligen Mamas ab, den die Römer den Löwen zum Fraß vorwarfen, woraufhin er aber von den Löwen verschont wurde. Zwar geschah dies in Kappadokien in der heutigen Türkei, doch wurde später eine Kirche in Bilbao errichtet, deren Schutzheiliger Mamas wurde. Da 1913 neben der Kirche das erste Stadion von Athletic Bilbao entstand, bekam es den Namen „San Mamés“ und die Mannschaft von Athletic Bilbao wird seither in Spanien auch „Los Leones“, die Löwen, genannt. 1913 wurde die Kathedrale des Fußballs, leicht versetzt, neu errichtet und erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Das neue San Mamés hat ebenso wie britische Stadien eher steile Tribünen, die dicht an das Spielfeld anschließen. In dem prachtvollen Fußballtempel werden auch Spiele der europaweiten EM 2020 stattfinden.

Fazit
Athletic Bilbao ist ein in vieler Hinsicht einzigartiger Fußballverein. Zu den sehr loyalen Spielern und Anhängern kommen eine exzellente Nachwuchsabteilung und ein fantastisches Stadion. Dort werden die Athletic-Fans nach dem euphorischen Singen der Athletic-Hymne vor dem Spiel auch weiterhin Erfolge ihrer Mannschaft feiern können. Und auch wenn diese wieder einmal längere Zeit ausbleiben sollten – der Zusammenhalt im Verein wird trotzdem bestehen bleiben und sollte vielen anderen Vereinen in Europa ein Vorbild sein.

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