Transferkritik: Jürgen Klopp

„We have to change from doubters to believers – now“ – die ersten Worte von Jürgen Klopp zu den Anhängern von FC Liverpool im rot-schwarzen Dress befeuerten besonders in den sozialen Netzwerken noch einmal die Vorfreude auf den neuen Mann an der Seitenlinie der legendären Anfield Road. Die Fans dichteten bereits zahlreiche Fangesänge und die britische Presse stimmte enthusiastisch in die Loblieder ein, sodass ganz Liverpool die Ankunft von der großen personifizierten Dortmunder Erfolgsfigur der vergangenen Jahre wie einen neuen Messias herbeigesehnt hat. Hohe Erwartungen also in der Industriestadt Liverpool, die aufgrund der großen Tradition, der Fanszene und dem weltberühmten „Youll never walk alone“-Gesänge wie ein britischer Zwillingsbruder zu Borussia Dortmund gilt. Beste Erfolgsaussichten also für Klopp? Wie die Erfolgsaussichten beim FC Liverpool aussehen, wie gut Klopp als zweiter deutscher Trainer in der Geschichte der Premier League in Liverpool klar kommen könnte und wie es auch transfertechnisch aussieht, liest du im heutigen Artikel

Sportliche Vergangenheit

Der FC Liverpool gilt als legendärer Verein, der weltweit höchste Sympathiewerte genießt und deren Anhänger als die wahrscheinlich Besondersten im englischen Profifußball galten. Besonders die Tragödie im Jahre 1985 in Brüssel, wo 39 Menschen aufgrund einer eingestürzten Mauer im Stadion starben, machten den Verein besonders nahbar. 1892 gegründet, entwickelte man sich besonders unter dem bekannten Trainer Bill Shankly zu einem der Top-Teams in England und gewann bis heute 18 Meisterschaften, 7 FA-Cup-Siege, sowie 8 Ligapokal-Titel und 5 Landesmeister-Titel. Die Titelvitrine ist also prall gefüllt und doch war das letzte Jahrzehnt nach dem fulminanten Titelgewinn in der Champions-League gegen AC Mailand eher ernüchternd für die Reds. Mit Jürgen Klopp versucht man nun nach dem recht erfolglosen Abschneiden nach dem zwischenzeitlichen Höhenflug 2014 mit dem 2.Tabellenplatz, mit der bloßen Europa-Pokal-Teilnahme in dieser Saison, einer verpatzten Transferpolitik und einem ernüchternden 10.Tabellenplatz momentan in der Liga einen Neuanfang nach Brendan Rodgers zu planen.

Karriere von Jürgen Klopp

Geboren in Stuttgart, wurde Jürgen Klopp nach 11 Jahren als Spieler in einer Nacht und Nebel-Aktion Trainer vom 1.FSV Mainz 05, blieb 7 Jahre und erreichte nach mehreren, teils tragischen Versuchen, den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga als großen Erfolg. Nach dem Bundesliga-Abstieg 2008 wechselte Klopp zum wirtschaftlich angeschlagenen Borussia Dortmund und erschuff eine Art modernes Fußballmärchen und wundersame Wandlung hin zum größten Konkurrenten der Bayern in Deutschland, der in 2 Titelgewinnen, einem DFB-Pokal-Sieg und einer CL-Finale gipfelte. Doch auch spielerisch entwickelte er beispielsweise Hummels, Lewandowski und Götze zu Weltklassespielern und wagt nun bei Liverpool mit seinen Assistenten Zejlko Buvac und Peter Krawietz nach 4 Monaten Pause, die große neue sportliche Herausforderung in England.

Das magische Trainergespann

Mit Zejlko Buvac und Peter Krawietz kann Jürgen Klopp auch in Liverpool auf ein eingespieltes Team setzen. Mit Buvac spielte Klopp Anfang bis Mitte der 90er-Jahre in Mainz zusammen und holte den Serben zu seiner ersten Trainerstation in Mainz als Assistenten ins Boot. Ein Meisterstreich, denn auch wenn Buvac für außenstehende Betrachter, als stiller Beobachter gilt, ist er insgeheim einer DER Taktikkoryphäen im europäischen Fußball, sodass es nicht überrascht, dass Buvac sämtliche weltweit praktizierten Spielstile in einer eigenen privaten Datenbank speichert.

Peter Krawietz ist ein langjähriger Freund von Klopp´s Ehefrau Ulla, der anfangs als Analyst für Scoutingfirmen arbeitete, dann zum Chef der Mainzer Scoutingabteilung gemacht wurde und bei Klopp später mit seinem genauen Blick für kleinste Details und Fehler im Spiel, für die Gegneranalyse zuständig war.
Das neue Trainergespann bei Liverpool komplettiert der Niederländer Pepijs, der als einer der großen Talentförderer im englischen Nachwuchsbereich gilt.

Das Liverpooler Team

In diesem Sommer verpflichtete man mit dem belgischen Nationalstürmer Benteke von Aston Villa (46 Millionen) und dem Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino (41 Millionen) zwei Köngistransfers in dieser Transferperiode, die mit dem großen Rechtsverteidiger-Talent Clyne, sowie dem ablösefreien Stürmer Ings, dem Ersatztorhüter Bogdan und dem routinierten zentralen Mittelfeldspieler Milner ergänzt wurden, um hauptsächlich den empfindlichen Abgang von Raheem Sterling zu Konkurrent City abzufangen. Benteke hat bereits Traumtore geschossen, wie bei seinem Seitfallzieher, hat jedoch auch wie Firmino mit Verletzungsproblemen zu kämpfen, sodass besonders Ings, zu einer Überraschung wurde.

Mit der Achse von Mignolet, Sakho, Henderson, Coutinho und Sturridge besitzt man eine eingespielte Achse, wo besonders Kapitän Henderson im Mittelfeld die Zügel in die Hand nimmt und das Spiel ordnet, jedoch noch aufgrund eines Mittelfußbruches bis Mitte November ausfällt. Im spielstarken Mittelfeld mit Kreativspielern wie Coutinho, Firmino und Lallana, ordnet der etwas atypisch spielende Lucas Leiva als defensiver Abräumer das Mittelfeld. Im Sturm besitzt man mit Sturridge, Ings und besonders Benteke starke Leute, die aufgrund ihrer verschiedenen Spielertypen viele Abwehrreihen vor anspruchsvolle Aufgaben stellt. Mit Emre Can ist auch ein detscher Nationalspieler ein etablierter Spieler im Liverpooler Team, der häufig als Innenverteidiger neben Sakho oder im defensiven Mittelfeld oder gar als Rechtsverteidiger, wie im Nationalteam eingesetzt wurde. Diese vielen Positionswechsel und taktischen Systemwechsel verunsicherten das Liverpooler Team zusehends, sodass viele Liverpooler Team darin auch das Aus und die sportliche Misere von Brendan Rodgers vermuten. Da momentan auch viele Leistungsträger verletzungsbedingt ausfallen und man so keine eingespielte Mannschaft zusammenbringen konnte, nach dem frühere Gallionsfiguren wie Steven Gerrard fehlen, brach das Team häufig zusammen und fand nur schwer Lösungen gegen tiefstehende Teams, wie beispielsweise im FA-Cup gegen Carlishame United, wo man nur mit Glück im Elfmeterschießen weiterkam.

Zukunftsaussichten für Klopp + Fazit

Der pressing-orientierte, laufintensive Stil von Jürgen Klopp passt zu dem hochtalentierten, technisch hochwertigen Spielerkader von Liverpool, sodass sowohl Spielart als auch die menschliche, mitreißende Art von Jürgen Klopp bestens zu dem emotionalen Umfeld von Liverpool passt. Besonders Spieler wie Lallana, Coutinho, aber auch Spieler die zuletzt etwas in der zweiten Reihe standen wie Danny Ings und Divorick Origi könnten große Entwicklungssprünge machen und dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Ein Meistertitel, wovon viele Fans insgeheim träumen, scheint mit diesem Kader bei weitem nicht möglich zu sein und auch die Champions-League dürfte bei der Londoner Konkurrenz ein schwieriges Unterfangen werden. Zunächst gilt es für Klopp sich in einer neuen Liga zu etablieren und in einer Anlaufzeit weitere wichtige teaminterne Strukturen zu schaffen und dem Team sein Spielstil einzuimpfen. Dieser Prozess wird Zeit kosten, sodass man nur hoffen kann, dass die enormen Erwartungen und Loblieder nicht zu schnell ins Gegenteil umschlagen könnten, wenn in den ersten Spielen gegen Tottenham, Kazan und Southampton die erhofften Ergebnisse noch ausbleiben sollten. Vom taktischen und emotionalen Rüstzeug bringt Klopp allerdings alles Notwendige mit, nur wird es interessant sein, inwiefern seine mitreißenden Ansprachen und nuancierten Äußerungen zur Presse auch in einer Fremdsprache möglich sind.

Doch wenn einer in den letzten Jahren Zweifler überzeugen konnte war das Jürgen Klopp, sodass es durchaus den Fans und auch seiner eigenen Laufbahn zu wünschen ist, die Anhänger auf der berühmten Kop-Tribüne in der Anfield Road zu begeistern und Titel zu gewinnen, wonach so viele Fans lechzen. Eine neue Zeitrechnung beginnt in Liverpool – „We have to change the doubters to believers -now“. Lets go, Kloppo!

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