Transferabrechnung: SV Darmstadt 98

Asterix und Obelix – die vom Franzosen Rene Goscinny erfundene Geschichte der beiden Comic-Helden, verzauberte über Jahrzehnte die verregneten sonntäglichen Nachmittage von vielen heranwachsenden Kindern in eine Abenteuerwelt. Asterix, als kleiner,schmächtiger Krieger, der  besonders durch seine pfiffigen Ideen und dem Zaubertrank, übermenschliche Kräfte erlangt. Diese Geschichte aus dem gallischen Dorf passt auch ideal auf die Situation in Darmstadt, wo man als Underdog nach dem vermiedenen 3.Liga-Abstieg, zwei Jahre später in der Bundesliga zu finden ist. Eine übermenschliche Leistung und viele damalige Helden sind auch heute noch dabei. Inwiefern Darmstadt auch auf dem Transfermarkt Fortune hatte, im Kampf gegen die großen anderen Vereine, liest du im heutigen Artikel.

VOLLTREFFER

Im Aufstiegsjahr waren Bregerie und Kapitän Sulu zwei wichtige und konstante Säulen in der Innenverteidigung der Lilien. Nicht nur als routinierte Stabilisatoren in der Defensive, sondern auch neben dem Platz ,wichtig für das Binnenklima und Hierarchie des Teams. Als Bregerie dann überraschend den Weg zum Mitaufsteiger Ingolstadt ging, war das Entsetzen groß, doch unaufgeregt suchte man einen Ersatz und wurde in Bremen fündig. Für ein Jahr lieh man den Italiener Luca Caldirola aus. Als ehemaliger U21-Kapitän von Italien brachte er sein Potenzial durch das Vertrauen von Trainer Schuster derart souverän auf den Platz, dass man heutzutage keinen Gedanken an Bregerie verschwendet und das Darmstädter Bollwerk steht. Der 24-jährige Linksfuß spielt sehr sicher, ist pass-und zweikampfstark und besticht häufig durch spektakuläre Rettungsaktionen. Bestritt bislang jede einzelne Minute und ist für den Aufsteiger Gold wert, auch wenn seine konstant starken Leistungen sicherlich auch in Bremen und bei der restlichen Konkurrenz für Interesse gesorgt haben.

Darmstadt gilt zurzeit als Frischzellenkur für Fußballer in der Midlife-Crisis und Konstantin Rausch knüpft nun wieder an Leistungen aus vergangenen 96er-Tagen an. Beim VfB Stuttgart auf die Ersatzbank, Tribüne und teilweise vom Trainingsbetrieb versetzt, blüht der linke Offensivallrounder bei den Lilien derart auf, dass er längst unverzichtbar geworden ist. Als Stammspieler auf der linken Außenbahn passt er mit seinen Tugenden der Kampfbereitschaft, Leidenschaft und Physis perfekt zu den Hessen. Mit 4 Scorerpunkten und erst 25 Jahren ist „Koka Rausch“ ein Spieler, der die Erwartungen vollends erfüllt hat und auch seine Gefahr bei Standards kommt wieder mehr zum Tragen.

VERSTÄRKUNG

Blickt man auf die EM-Siegertruppe von 2009 sieht man bekannte Gesichter der Nationalmannschaft von heute. Özil, Neuer, Boateng – doch inmitten dieser späteren Weltklassespieler tummelte sich mit Sandro Wagner ein Spieler, dessen Karriere anders verlief. Nach einer guten Zeit in Duisburg, konnte er in Bremen, Lautern und Hertha niemals dauerhaft Bundesliga-Niveau nachweisen und nicht wenige Fans konnten über die technischen Unzulänglichkeiten des 1,94m großen Mittelstürmer nur grinsen. Bei Darmstadt findet Wagner nun zur alten Form zurück, trifft regelmäßig und genießt nun seit langer Zeit die vollständige Rückendeckung eines Trainers. Ein Spieler nach dem sich normalerweise kein Erstligist die Finger leckt, normalerweise immer kritisiert wurde, aufgrund seiner geringen Torquote, straft alle Kritiker spätestens nach seinem Doppelpack gegen Bremen Lügen. Hier muss man abwarten, inwiefern er die Saison über ein Jahr hält.

Als Peter Niemeyer zum Ende der letzten Spielzeit in Berlin ausgemustert wurde, verstand dieser die Welt nicht mehr. Zu viele Jahre als Kapitän vorangegangen, zu viel Leidenschaft und Herzblut in die Hertha gesteckt. Mit 31 Jahren klopfte dann Darmstadt 98 an, Niemeyer wagte das Abenteuer in dem Stadion, was beinahe als Letztes noch nostalgische Gefühle beim Fußballliebhaber erzeugt. Mit seiner Zweikampfstärke, Führungsqualitäten und Stärken im Stellungsspiel, kann er in kurzen Pässen überzeugen und ist für die Balance als Spielzerstörer wichtig. Dass man technische Kabinettstückchen vom ehemaligen Twente Enschede Eigengewächs nicht mehr erwarten kann, ist klar, doch die erhoffte Säule des Teams bildet er und passt zum eher einfachen Spielstil der Lilien.

Eine weitere Verstärkung ist der österreichische Nationalspieler Györgi Garics, der von Bologna nach Hessen kam. Auch wenn bei ihm in Sachen Offensivdrang und Flanken noch Defizite zu beobachten sind, steht er defensiv enorm sicher, lässt nichts anbrennen und ersetzt Vorgänger Leon Balogun mustergültig. Da bei den Darmstädtern die Außenverteidiger jedoch relativ tief stehen, erfüllt Garics seine Aufgaben stark und empfiehlt sich für weitere Einsätze in der österreichischen Nationalmannschaft, auch wenn er mit 31 Jahren nicht mehr zu den Jüngsten im Team gehört.

MITLÄUFER

Junior Diaz ist ein Spieler, der in seiner Karriere viel gesehen hat. Der 32-jährige Linksverteidiger nahm mit Costa Rica bei der WM 2014 teil, kam überraschend bis in Viertelfinale und war unter anderem in Belgien und Polen als Profi aktiv. Bei Mainz verkam der laufstarke, technisch versierte Mann zum Auslaufmodell und auch bei Darmstadt kam Diaz nur schwer auf Touren. Zwar routiniert mit der geballten Erfahrung von 75 Länderspielen, musste er sich hinter Holland links hinten einreihen und als Ersatzspieler auf seine Chance warten. Am 6.Spieltag gegen Bremen war es dann soweit, Konkurrent Fabian Holland verletzte sich und die Stunde war geschlagen. Mit guten Flanken und seinem positionstreuen, linearen Spiel entwickelte er sich zu einer wichtigen Komponente im Darmstädter Spiel, ohne jedoch besonders hervorzustechen oder zu glänzen. Es wird spannend sein, ob Diaz den Stammplatz behaupten kann, wenn Holland zurückkehrt.

ENTTÄUSCHUNG

Mit Mario Vrancic verpflichtete man vor Saisonbeginn seinen vermeintlichen Königstransfer für 500.000€. Eine Ausstiegsklausel für einen unangefochtenen Leistungsträger der Paderborner Abstiegsmannschaft, die aufgrund der spielerischen und technischen Beschlagenheit des Bruders vom Braunschweiger Damir Vrancic durchaus verständlich schien. Pustekuchen. Vrancic kam bisher nur in 88 Minuten in dieser Saison zu Einsatz, da er taktisch und spielerisch schlichtweg nicht ins System passt. Am Ball kann der ehemalige Paderborner alles, doch benötigt Darmstadt für seinen rustikalen, leidenschaftlich, kämpfenden Fußball eben in der Zentrale Spielzerstörer a la Niemeyer und keine Ballstreichler. Ein Mann von dem man sich viel erhofft hat, der jedoch auch in den kommenden Spielen, wenig Einsatzchancen bekommen wird.

NICHT BEWERTBAR

Slobodan Rajkovic war einer der ersten Verpflichtungen von Frank Arnesen beim Hamburger SV und sportlich gesehen war der Serbe auch nüchtern betrachtet einer der besseren Innenverteidiger im Hühnerhaufen in Hamburgs damaliger Hintermannschaft. Nach einer kurzen vereinslosen Zeit schlug Darmstadt zu und verpflichtete den sehr robusten, kopfballstarken Innenverteidiger bis 2017. Mit seiner kompromisslosen Zweikampfführung wird er Darmstädt in Zukunft wahrscheinlich voran bringen, auch wenn er sich mächtig strecken muss, um an Sulu und Caldirola vorbeizukommen. Bisher erst 1 Mal eingewechselt, muss er zunächst sein Konditionsdefizit aufholen, doch der 1,91m Hüne und serbische Nationalspieler wird seine Karriere wohl wieder ankurbeln können.

FAZIT

Darmstadt legte los wie die Feuerwehr und heimste zum Start viele Punkte ein, die im Saisonendspurt noch enorm wichtig seien können. Mit dem Konzept bei den Neuzugängen auf erfahrene Bundesligaspieler mit Karriereknick zu setzen, ist ein anderer Weg als Paderborn und Fürth ihn damals beschritten haben und bislang erweist sich der oft destruktive Spielstil als genau passend im Kampf als David gegen Goliath. Caldirola, Wagner, Niemeyer und viele mehr, finden in Darmstadt wieder wertvolle Spielpraxis und genießen das Vertrauen von Trainer Schuster. Mit diesem leidenschaftlichen Stil, dem urigen Stadion und einer Menge Zaubertrank geht man nun als gallisches Dorf in den Endspurt der Hinrrunde. Die Zeit wird zeigen, ob Asterix auch in diesem Jahr als Sieger im Kampf gegen die Großen hervorgeht.

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