Wilder als die steilste Achterbahnfahrt – so lässt sich die Hinrunde des FC Schalke 04 zusammenfassen. Nach fünf Niederlagen zu Saisonbeginn, fing sich die Mannschaft von Markus Weinzierl zunächst, in dem man sieben Spiele lang ohne Niederlage blieb, ehe man wieder in alter Muster zurückfiel und Inkonstanz zu einem ständigen Begleiter heranwuchs. Zwar brachte der Transfersommer neuen Schwung in das königsblaue Kader-Karussell, doch wirklich beweisen konnten sich nur wenige. Dabei sollten vor allem hochkarätige Sommertransfers, wie Triple-Europa-League-Sieger Coke, Breel Embolo und Nabil Bentaleb dem ständigen Auf und Ab entgegenwirken. In der Defensive dagegen, verpflichtete man mit Routinier Naldo, einen Erfahrenen Innenverteidiger, welcher mit seiner Qualität für die nötige Stabilität in der Abwehr sorgen soll. Mit großen Hoffnungen angereist, wollen wir in unserer Transferabrechnung Schalke 04 den Wechsel des brasilianischen Defensiv-Veterans noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, und schauen, wie gut sich Naldo bereits in das Spiel der Gelsenkirchener integriert hat.
Aller Anfang ist schwer
Im vergangenen Sommer haben wir bereits für euch den Transfer von Naldo von der Autostadt in die Currywurstmetropole analysiert. Nun, sieben Monate später, ist es an der Zeit ein erstes Zwischenfazit zu ziehen. Nach dem Abgang von Joel Matip in Richtung Liverpool, kam der Brasilianer mit einer gehörigen Portion Vorschusslorbeeren zu den Knappen. Schließlich erhielten die Schalker, ohne auch nur einen Cent zu bezahlen, einen der erfahrensten und wohl, über die letzten Jahre gesehen, besten Innenverteidiger der Bundesliga. Doch vor allem zu Beginn konnte Naldo die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Der schlechteste Saisonstart der Schalker Vereinsgeschichte ist nicht zuletzt auch auf die schwachen Leistungen des neuen Abwehrchefs zurückzuführen.
Abstimmungsschwierigkeiten sind gerade für Neu-Verpflichtungen in der Innenverteidigung keine Seltenheit. Vor allem, wenn sich nicht nur der Neuling auf seine neuen Mitspieler einstellen muss, sondern diese sich auch auf einen neuen Trainer. Trotzdem darf man von einem Spieler mit der Erfahrung Naldos erwarten, diesen Prozess schneller bzw. mit einer höheren Maß an Abgeklärtheit voranzutreiben. Dies war nicht der Fall – im Gegenteil: haarsträubende Stellungsfehler, mangelnde Kommunikation, sei es mit den Außenverteidigern in der Rückwärtsbewegung oder mit der Offensive in der Spieleröffnung, ließen Schalkes, aber vor allem auch Naldos Auftreten, unbeholfen wirken. Exemplarisch hierfür kann seine Leistung am ersten Spieltag gegen die Eintracht aus Frankfurt hernehmen. Naldo leitete mit einem katastrophalen Befreiungsschlage die gegnerische Führung ein, gewann selbst nur 30% seiner Zweikampfduelle und ließ sich dabei teilweise von der Frankfurter Offensive düpieren.
Im Oktober kam die (System-)Wende
Zum Glück für die gesamte königsblaue Gemeinschaft, sollten Naldos Leistungen aus den ersten fünf Partien der Saison eine Ausnahme bleiben. Denn mit dem Spiel gegen die Borussia aus Gladbach, am 02. Oktober, kam die Wende. Der Ex-Wolfsburger stellte seine Fehler ab und zeigte fortan seine Klasse auf dem Spielfeld. Obwohl seine Zweikampfquote mit 62% und seine Passgenauigkeit mit 85% zwar gut, aber nicht herausragend sind, stellt er momentan einen wichtigen Baustein für den Erfolg dar. Seine Ruhe und Erfahrenheit hilft der gesamten Schalker Defensivabteilung. Durch Weinzierls Systemumstellung auf eine Dreier-Abwehrkette, wird die Verantwortung in der Rückwärtsbewegung auf mehrere Schultern verteilt – ein Schachzug, welcher dem 34-jährigen zweifelsfrei entgegenkommt. Lediglich einzelne Ausrutscher, wie der frühe Platzverweis gegen Bayer Leverkusen, als Javier „die kleine Erbse“ Hernandez das mangelnde Tempo des Südamerikaners offenbarte und diesen bereits nach vier Minuten zu einer Notbremse zwang.
Auch seine beiden Innenverteidiger-Kollegen profitieren von der Konstanz des Brasilianers. Sowohl Kapitän Höwedes, als auch Matija Nastasic haben in den vergangenen Spielzeiten verletzungsbedingt nur wenig Spielpraxis sammeln können. Naldos Präsenz in der Abwehr erleichtert den beiden sichtbar den Weg zurück zu ihrer Topform. Bemerkbar ist auch, dass Schalke seit dem Spiel gegen Gladbach in zwölf Spielen lediglich acht Gegentore kassierte. Naldos Bedeutung für die Mannschaft, geht somit weit über seine statistischen Werte hinaus. Zudem scheint der Abwehrriese auch seine scheinbar abhanden gekommene Fähigkeit, Freistöße mit circa 2000 km/h aus gefühlten 50 Metern ins Tor zu hämmern, wieder gefunden zu haben. Gegen die Bayern traf Naldo nach einer gefühlten Ewigkeit wieder per indirekten Freistoß und sicherte seinem Team so einen überraschenden Punktgewinn in der Münchener Allianz-Arena.
Ruhe auf Schalke?
Der weitere Saisonverlauf dürfte, sofern Naldo gesund bleibt, ähnlich verlaufen wie in den letzten Monaten. Der Brasilianer wird seinen Platz in der Startelf sicher haben, auch wenn mit Holger Badstuber ein Spieler verpflichtet wurde, der ihm auf der linken Innenverteidigerposition Konkurrenz machen kann. Die ersten Spiele des Kalenderjahres haben bereits gezeigt, dass trotz Badstubers stärkeren technischen Fähigkeiten und seiner herausragenden Spieleröffnung, Weinzierl in der momentanen Lage nicht auf einen Spieler wie Naldo verzichten will.
Während der VfL Wolfsburg keine Perspektive für Naldo sah und seinen – wohl sehr hohen Gehaltsforderungen – nicht nachkommen wollte, scheint Schalke im Sommer die, nach aktuellem Stand, optimale Lösung für den Matip-Weggang gefunden zu haben. Ablösefrei einen Spieler von Naldos Klasse zu verpflichten darf man somit auch jetzt, sieben Monate später, als echten Coup bezeichnen. Ob dieser aber auch Schalkes Europapokalambitionen verwirklicht, darf Rückblickend auf den Saisonstart jedoch bezweifelt werden. In jedem Fall hat Naldo einen entscheidenden Beitrag geleistet, aus der wilden Achterbahnfahrt der Hinrunde, eine ruhigere Märchenbootsfahrt werden zu lassen.