Borussia Dortmund

Transferabrechnung: Borussia Dortmund

Mit dem neuen Trainer Thomas Tuchel hat die Borussia aus Dortmund wieder zu alter Stärke zurückgefunden, der Saisonstart ist mit 26 Punkten aus elf Spielen hervorragend geglückt. Wären die geradezu übermächtig erscheinenden Münchner Bayern nicht – der BVB hätte wahrlich blendende Chancen auf die Meisterschaft. Größtenteils sorgen die schon seit Jahren in Dortmund kickenden Spieler für den Aufschwung. Doch auch der ein oder andere Neue trägt seinen Anteil zum Formhoch bei. Transferkritiker verrät euch, mit wem sich der BVB wirklich gut verstärkt hat und auf wen man auch hätte verzichten können.

Volltreffer

Julian Weigl hatten nicht viele Fans vor Saisonbeginn auf dem Zettel. Doch der 20-Jährige, vom TSV 1860 München gekommen, spielt bisher eine erstaunlich gute Saison und ist sehr überraschend zu einer festen und wichtigen Größe im defensiven Mittelfeld geworden. Bisher wirkte er bei allen (!) Pflichtspielen mit, zumeist auch über die gesamten 90 Minuten. Im Mittelfeldzentrum harmoniert er bereits bestens mit Ilkay Gündoğan. Während dieser eher für die kreativen Elemente und das Ankurbeln des Offensivspiels zuständig ist, hält Weigl ihm und den anderen Offensivakteuren gut den Rücken frei. Mit vielen gewonnenen Zweikämpfen, guter Ballsicherheit und einer starken Passquote spielt er eher unauffällig und ist dennoch für das Team sehr wertvoll. Sehr bemerkenswert: In den bisherigen 20 Pflichtspielen sah er nur zweimal die Gelbe Karte. Leichte Schwächen hat er dagegen noch im Spielaufbau, wo er sich häufig noch scheut, mal den ein oder anderen riskanten Pass zu spielen. Auch schaltet er sich selten in das Offensivspiel mit ein, sondern denkt eher defensiv. Doch insgesamt fährt er damit sehr gut und hat sich zurecht einen Stammplatz erarbeitet. Ein Sven Bender oder auch ein hoffentlich bald wieder genesener Nuri Şahin werden sich sehr strecken müssen, um an diesem jungen Mittelfeld-Juwel vorbei zu kommen und auch ein Gonzalo Castro hat es bisher alles andere als leicht.

Verstärkung

Zugegeben – Roman Bürki war bisher nicht fehlerlos. Erst vor knapp einer Woche leistete er sich einen krassen Schnitzer, als er im Pokalspiel gegen Paderborn mit Srđan Lakić ins Dribbling ging und den Paderborn-Stürmer quasi zum Führungstreffer einlud. Doch nicht umsonst hat er den langjährigen Stammkeeper Roman Weidenfeller erfolgreich aus dem BVB-Gehäuse verdrängt und sich das Vertrauen von Thomas Tuchel erworben. Denn meist ist der 24-jährige Schweizer ein sehr sicherer Rückhalt, der auf der Linie mit guten Reflexen glänzen, Flanken aus der Luft pflücken und auch in Eins-gegen-Eins-Situationen gut bestehen kann. Ebenso versucht er auch, mit präzisen Abschlägen und Abwürfen das Spiel oft schnell zu machen, hier bedarf es manchmal allerdings noch an mehr Feinabstimmung mit seinen Vorderleuten. Ebenso versucht Bürki, als mitspielender Torwart gegnerische Konter zu unterbinden. Meist gelingt ihm dies problemlos, jedoch längst nicht immer, wie beispielweise zwei Situationen aus dem Bayern-Spiel belegen, als er jeweils gegen Müller und Lewandowski zu spät kam. Es ist also noch einiges an Verbesserungspotenzial vorhanden, doch Roman Bürki zeigt schon die richtigen Ansätze und agiert insgesamt sehr solide.

Perspektivspieler

Adnan Januzaj besitzt zweifelsohne großes Talent und hat mit seinen gerade einmal 20 Jahren auch schon sechs Länderspiele für das neuerdings auf Weltranglistenposition eins stehende Belgien absolviert. Für ein Jahr haben ihn die Borussen von Manchester United ausgeliehen, hier soll er Spielpraxis sammeln und sich natürlich auch weiterentwickeln. Unbestritten ist, dass sich Januzaj dafür natürlich erst einmal an das neue Umfeld gewöhnen muss. Kein Wunder also, dass er bisher auf nur fünf Bundesliga-Kurzeinsätze kommt, für die er meist erst in der letzten halben Stunde eingewechselt wurde. Gegen Darmstadt gelang ihm dabei eine Torvorbereitung, ansonsten scheint es, dass der hochveranlagte Jungprofi noch Zeit braucht. Die Kommunikation und das Zusammenspiel mit den neuen Mitspielern können schließlich nicht von jetzt auf gleich perfekt gelingen. Doch Januzaj zeigt erste Ansätze und bringt mit seiner guten Technik und seinem Torhunger Eigenschaften mit, die ihn die Integration ins BVB-Spiel gelingen lassen sollten. Wahrscheinlich werden die Dortmund-Fans mit der Zeit immer mehr Freude an ihm haben.

Mitläufer

Die Erfahrung von 286 Bundesligaspielen brachte Gonzalo Castro mit, als er im Sommer von Bayer Leverkusen nach Dortmund wechselte. Doch dies half ihm anfangs im Kampf um Einsatzzeiten auch nicht viel, erst einmal schien sich Castro in Dortmund akklimatisieren zu müssen. Ein Tiefpunkt war sicherlich, als er im Playoff-Hinspiel um die Europa League-Teilnahme bei Odds BK als rechter Verteidiger aushelfen musste und den gerade einmal 17-jährigen Rafik Zekhnini nicht in den Griff bekam. So hatte er an zwei Gegentoren seinen Anteil und wurde schon nach 45 Minuten wieder ausgewechselt. Auch in der Bundesliga läuft es noch nicht richtig rund für Castro. Zwar kommt er schon auf acht Einsätze, stand dabei aber nur dreimal in der Startelf und spielte auch nie über die volle Distanz. Auf seiner Lieblingsposition im zentralen Mittelfeld haben mit Weigl und Gündoğan derzeit einfach andere Spieler die Nase vorn. Außerdem scheint sich Castros große Stärke, flexibel auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden zu können (zentrales, offensives, linkes Mittelfeld, linker und rechter Außenstürmer, rechter Verteidiger), ein wenig als Problem herauszustellen. Denn Tuchel scheint sich noch nicht ganz sicher zu sein, ob er Castro am gewinnbringendsten im Zentrum oder als Rechtsaußen einsetzen kann. In letztgenannter Position machte er beispielsweise vor knapp einer Woche im Pokalspiel gegen Paderborn eine starke Partie mit jeweils zwei Toren und Torvorlagen. Und falls die Verletztenliste wieder mal länger werden und gerade Not am Mann sein sollte, kann Gonzalo Castro jederzeit mit seiner Erfahrung, seinem Spielverständnis und seiner Technik die gerade auszufüllende Rolle gut besetzen. Dann kann er für die Borussia wirklich noch zu einer echten Verstärkung werden und sich als Stammspieler empfehlen und somit den Status des Mitläufers überwinden.

Enttäuschung

Der Südkoreaner Joo-Ho Park galt als Wunschspieler von Thomas Tuchel und wurde von dessen Ex-Verein Mainz 05 für schmales Geld verpflichtet. Auf der linken Verteidigerposition soll er BVB-Urgestein Marcel Schmelzer Konkurrenz machen, was bisher aber selten gelang. Denn nur wenn Schmelzer verletzt oder noch nicht fit genug war, durfte Park auflaufen. So gegen seinen vorherigen Verein Mainz über 90 und zuletzt gegen Bremen über 76 Minuten, bevor dann Schmelzer für ihn eingewechselt wurde. Beide Male wusste er defensiv und vor allem auch offensiv nicht vollends zu überzeugen und konnte so keine Argumente für sich im Konkurrenzkampf mit Schmelzer liefern. Denn Schmelzer versucht oft, sich offensiv mit einzuschalten und ist mit Reus über die Jahre natürlich ein eingespieltes Duo auf der linken Seite geworden. Lediglich im Europa League-Spiel gegen Krasnodar deutete Park mit einer Torvorlage und seinem Kopfball-Siegtreffer in letzter Minute an, zu welchen Leistungen er an guten Tagen im Stande ist. Doch wenn er nicht allmählich mehr dieser Tage erwischt, dürfte es schwer für ihn werden und ihm ein Platz auf der Ersatzbank oder gar der Tribüne sehr oft sicher sein. So kommt er über die Rolle eines soliden Backups für Schmelzer nicht hinaus.

Gesamtfazit der Transferpolitik

Dortmund hat nicht viele Neuzugänge verpflichtet, aber sinnvolle. Nach dem Karriereende von Sebastian Kehl kann man mit Julian Weigl im defensiven Mittelfeld ein entwicklungsfähiges Toptalent gut gebrauchen, ein Gonzalo Castro ist erfahren und sehr flexibel und Roman Bürki darf auch als guter Griff gelten. Adnan Januzaj ist zwar nur ein Jahr vor Ort, könnte aber in der ein oder anderen Partie das Offensivspiel wirklich bereichern und Park ist ein solider Backup für Marcel Schmelzer. Ohnehin lag der Fokus in der Sommer-Transferperiode etwas mehr darauf, den Kader von ungeliebten und selten überzeugenden Spielern à la Ciro Immobile oder Miloš Jojić zu entrümpeln. Dies gelang freilich gut, sodass weitaus besser passende Neuzugänge wie die oben genannten verpflichtet werden konnten und der BVB nun wieder mit einer stark und überzeugend auftretenden Einheit die Bundesliga aufmischt.

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