Transfertipps Leverkusen

Transferabrechnung: Bayer 04 Leverkusen

Bayer 04 Leverkusen steht seit jeher für kreative Transfers und gilt als Sprungbrett, über das man öfters auch bei den besten Mannschaften der Welt landet. Doch so richtige Kracher-Transfers – ich erinnere da gerne an Zé Roberto oder Emerson – gab es schon lange nicht mehr. Mit Rekord-Ausgaben von 58 Millionen Euro, aber auch Rekord-Einnahmen von 61 Millionen, war dieses Jahr offensichtlich einiges los beim Bayer. Aber ob es für den „Kracher“ gereicht hat? Das wird Transferkritiker.de für euch analysieren.

VOLLTREFFER:
Ganz unumstritten war der Wechsel von Jonathan Tah vom HSV zur Werkself nicht. Das hatte auch viel mit der Vorgeschichte der beiden Teams zu tun. Man braucht in Hamburg ja nur „Calhanoglu“ zu sagen und wird böse angeguckt. Aber auch wenn man die vergangene Saison des blutjungen Deutsch-Ivorers anguckt, erschließt sich nicht, dass Leverkusen 7,5 Millionen Euro hinblättert: Eine mittelmäßige Saison in der zweiten Liga steht auf dem Papier. Doch die Scouts aus dem Rheinland sollten Recht behalten. Tah entpuppte sich als enorme Verstärkung in der Abwehr und so eine Entwicklung hatte niemand erwartet, schon gar nicht er. Aber aufgrund der Verletzungen von Führungsspieler Toprak und Juwel Jedvaj wurde Tah unerwartet Stammspieler. „Big Mike“, wie er Mannschaftsintern genannt wird (in Anlehnung an den Schauspieler Quinton Aaron, der in dem Film „Blind Side“ die Rolle des Football-Spielers ausübt), bewies sich als Ruhepol und als Fels in der Brandung. Nicht nur „Big Mike“ wird er genannt, sondern auch der „kleine Boateng“. Und wer weiß… Tah hätte das Potenzial und die körperlichen Voraussetzungen dafür.
Dass ausgerechnet der ehemalige Jugendspieler Kevin Kampl zum Verein am Rhein zurückkehrt, war verwunderlich. Dass er allerdings so gut aufspielt, ist noch verwunderlicher. Der „Spaßvogel“ brachte viel Kreativität in das Leverkusener Offensiv- und Defensivspiel mit. Der 25-Jährige Slowene holt sich den Ball gerne tief in der eigenen Hälfte, um ihn dann nach vorne zu verteilen. Auch seine Art, Probleme in schnellster Zeit zu lösen, bringt ihm die Bestnote ein. In naher Zukunft wird er wohl wieder starke Konkurrenz bekommen: Er und Charles Aránguiz werden um einen Stammplatz in der Zentrale kämpfen müssen. Bislang hat Kampl die Nase weit vorne.

VERSTÄRKUNG:
Am Transfer-Deadline-Day ereignete sich wohl der Kracher der Werkself. Mit dem Transfer von Javier Hernández „Chicharito“ setzte Bayer ein großes Zeichen in Richtung Konkurrenz. Die „kleine Erbse“ kam für 12 Millionen von Top-Klub Manchester United und wurde von allen Leverkusen-Anhängern mit hohen Erwartungen empfangen. Dass der Weltstar diese bislang noch nicht komplett erfüllen konnte, ist kaum verwunderlich. In einem unbekannten Land mit unbekannten Spielern ist es sehr schwer, sich in die Mannschaft einzufügen. Man sieht jedoch, dass er sich Schritt für Schritt dem Spielstil aus Leverkusen anpasst. Auch wenn acht Tore in insgesamt 12 Spielen wohl für ihn sprechen, vergibt er so manche 100%ige Chance, die die Fans frustrieren lässt. Einen anderen riesigen Vorteil hatte der Wechsel des Mexikaners noch: Dank seiner Beliebtheit im Heimatland gewann der Verein viele spanischsprachige Fans dazu. Mittlerweile wurde sogar nur für die Latinos ein offizieller Bayer-04-Facebook und Twitter-Account eingerichtet.
Den Transfer von Admir Mehmedi sahen einige Leverkusen-Anhänger als den falschen an. Das lag wohl daran, dass man mit Stürmern von Absteigern (Josip Drmic) keine guten Erfahrungen gemacht hat. Doch der Offensivallrounder machte alles anders, schlug ein und wurde prompt Fanliebling. Mit extrem wichtigen Toren wie gegen Stuttgart (4:3) und Rom (4:4) avancierte er sehr schnell zu einer ernsthaften Alternative in der Offensiv-Armee von Bayer. Ob er die Rolle eines Stammplatzes einnehmen wird, ist die Frage. Seine Qualitäten im Abschluss und im Dribbling sind allerdings Grund genug, dass er weiterhin viele Einsätze bekommen wird.
Vergangene Saison war Kyriakos Papadopoulos bereits an den Rhein ausgeliehen, im Laufe der Spielzeit 14/15 wurde er fest verpflichtet. Die größte Schwäche des wuchtigen Griechen war bis dato noch seine Verletzungshäufigkeit, die die Ärzte der Leverkusener aber in den Griff bekamen und ihm so nichts mehr im Weg stand. In der laufenden Spielzeit bildet er mit Tah das Innenverteidigerduo und ergänzt sich perfekt mit dem blutjungen Neuzugang. Während der Deutsch-Ivorer vor allem die Aufgaben des aufbauenden Innenverteidigers übernimmt, wirft sich Papadopoulos in jeden Zweikampf rein, den er irgendwie noch erreichen kann – leider nicht immer mit Erfolg. Beim Griechen vergisst man häufig sein Alter, weil er schon seit Jahren dabei ist: Der erst 23-Jährige kann sich immer noch weiterentwickeln und muss das auch tun. Denn vor allem sein Aufbauspiel und seine Ruhe sind verbesserungswürdig. Dennoch hat er das Potenzial zum Weltklasse-Verteidiger, der der Werkself lange helfen könnte.
Christoph Kramer hat das schier Unmögliche möglich gemacht. In lediglich zwei Jahren avancierte er vom durchschnittlichen Zweitliga-Profi zu einem Weltmeister. Dass Mönchengladbach seinen großen Anteil daran hat, steht außer Frage. Doch jetzt kommt Kramer als gestandener Spieler zurück, der seine Qualitäten im Zweikampf verfeinert hat. Er nutzt seine Größe immer wieder durch einen Kopfball in die Spitze oder um Ruhe reinzubringen. Er gehört dem Mittelfeld-Trupp der Leverkusener an, der mit Çalhanoğlu, Kampl, Bender, Aránguiz und ihm beileibe nicht schlecht besetzt ist. Dort sich einen Stammplatz zu sichern, erfordert hundertprozentige Konzentration, die bei Kramer nicht immer vorhanden war. Nichtsdestotrotz wird er weiterhin der Mannschaft eine große Hilfe sein, auch wenn viele Mannschaften hinter ihm her waren, wie zum Beispiel Arsenal, die wohl 40 Millionen Euro bezahlen wollten. Eine Summe, für die auch ein Christoph Kramer gehen könnte.

MITLÄUFER:
Das Wort „Lückenfüller“ wurde wahrscheinlich für Andre Ramalho erfunden: Der Brasilianer, der vor der Saison ablösefrei von RB Salzburg kam, wird wohl nur bei Personalnot eingesetzt. Beispielsweise im Spiel gegen Hannover hatte er die Aufgabe, hinten dicht zu halten. Das tat er auch ganze 90 Minuten lang. Zuverlässig, still aber trotzdem gut für den Teamspirit. Roger Schmidt wird wohl, da er den Südamerikaner mit Afro bereits seit Jahren kennt, wissen was er an ihm hat. Ramalho kann sowohl im defensiven Mittelfeld, als auch in der Innenverteidigung, als auch auf den defensiven Außenbahnen agieren. Seine Stärken im Spielaufbau (94% angekommene Pässe gegen Hannover) wird der Werkself wohl auch in den kommenden Monaten zugutekommen, wenn mal wieder Not am Mann ist, was ja bei der Dreifachbelastung und den vielen „Englischen Wochen“ durchaus geschehen kann.

NICHT BEWERTBAR:
Mit Charles Aránguiz wurde der eigentlich ideale Castro-Ersatz gefunden. Nachdem das Bayer-Urgestein zum Konkurrenten aus Dortmund wechselte, hinterließ er eine große Lücke als Bindungsglied zwischen Verteidigung und Angriff. Nun wurde also der Chilene Aranguiz gekauft, hinter dem man mehr als ein Monat lang her war. Vom Papier her könnte er definitiv Castros Zwilling sein: Passsicher, klein, trotzdem zweikampfstark und vor allem gefährlich in der Offensive. Somit war der Hype der Leverkusen-Anhänger riesig als er verpflichtet wurde. Andererseits war die Enttäuschung natürlich umso größer als man von seiner Verletzung hörte. Einen Achillessehnenriss wirft den Ex-Porto-Alegri wohl bis Anfang 2016 aus der Bahn. Ob er dann seine Form aus der Südamerika-Meisterschaft wiederfinden kann, steht in Frage. Allerdings würde es jeden Leverkusener freuen.
Nachdem Seung-Woo Ryu aus Braunschweig von seiner Leihe zurückkehrte, waren die Hoffnungen der Fans zumindest die, dass er für eine Überraschung sorgen könnte. Doch der Südkoreaner hat immer noch keinen Bundesligaeinsatz in der Saison auf dem Zettel, obwohl er bei Braunschweig stets eine gute Figur machte. Vielleicht baut der Trainer ihn noch auf, zumindest bis er eine verlässliche Ersatzkraft ist.

GESAMTFAZIT DER TRANSFERPOLITIK:
Leverkusen hat sich gezielt verstärkt, was nötig war nach den Abgängen von gestandenen Stammspielern wie Castro oder Heung-Min Son. Mit Spielern wie Kampl oder Chicharito, die auch in Europa ein hohes Standing haben, setzte man definitiv ein großes Ausrufezeichen in Richtung Konkurrenz, das bislang allerdings noch nicht ganz bestätigt wurde. Mit Platz 7 und inkonstanten Leistungen kann man bei dem Kader nicht zufrieden sein. So allerdings ist noch viel Luft nach oben und der Kader hat definitiv großes Potenzial. Jedoch muss man jetzt in den nächsten Jahren aufpassen, dass man nicht Opfer des internationalen Kaufrauschs wird. Gestandene Spieler wie Bender, Bellarabi, Leno, Çalhanoğlu oder Toprak könnten nächstes Jahr den Verein verlassen und dann muss man das Geld wieder richtig gut reinvestieren.

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