Über Jahre hinweg galt der VFB Stuttgart als unerschöpflicher Torwartpool, sodass gestandene Bundesligaspieler wie Benaglio, aber vor allem Eigengewächse wie Hildebrand, Leno und dem bisherigen Stammtorhüter Ullreich maßgeblich von Ex-Torwarttrainer Eberhard Trautner gefördert und gefordert wurden. Durch die sportliche Misere und der stagnierenden Entwicklung von Sven Ullreich verblasste dieser Ruf jedoch zunehmend, sodass man jetzt einen neuen Kurs fährt nach den Abgängen von Ullreich und Kirschbaum und trotz der interesanten Eigengewächse Vlachodimos und Funk, mit dem Polen Tyton und Mitch Langerak zwei externe Torhüter verpflichtet hat. Wie die momentane Torhütersituation aussieht, welche Stärken/Schwächen die neuen Schlussmänner mitbringen und ob mit Vlachodimos das nächste Torwarttalent aufgrund fehlender Perspektive das Weite suchen könnte, liest du im heutigen Artikel.
Bisherige Situation
Sven Ulreich galt lange Zeit als einer der soliden, prägenden Identifikationsfiguren der Schwaben und reihte sich unter die besten Schlussmänner ein. In den letzten Spielzeiten stagnierte jedoch seine Entwicklung überraschend, sodass er Schwächen in der Strafraumbeherrschung nicht ausmerzen konnte und nach über hundert Spielen in Folge, zwischenzeitlich seinen unangefochtenen Stammplatz an Kirschbaum abtreten musste. Spätestens mit diesem Vertrauensbruch und den sich häufenden kritischen Stimmen im Umfeld, folgte die Bereitschaft zu einer Luftveränderung und da man auch Kirschbaum keine Entwicklung zum Stammkeeper zutraute, geht nun das bisherige Torhüterduo nach München und Nürnberg. Eine Entwicklung die sich auch Torwarttrainer Menger teilweise ankreiden lassen muss, da er es nicht schaffte die beiden Schlussmänner auf ein höheres Niveau zu hieven.Die aktuelle Nummer 3 Vlachodimos, der in der 3.Liga überragende Leistungen zeigte, ergänzte dieses Torhütertrio und erhofft sich nun eine ehrliche Chance bei den Profis.
Wer kommt neu?
Mit dem 28-jährigen Polen Przemyslaw Tyton aus PSV Eindhoven holte Sportdirektor Robin Dutt vergangene Woche die aktuelle Nummer 4 der polnischen Nationalmannschaft, einen großen, robusten Torhüter, der über jahrelange Erfahrung im holländischen Fußball bei Kerkrade und Eindhoven verfügt, sowie besonders in der letzten Saison auf seiner Leihstation im spanischen Elche nach Anfangsschwierigkeiten zu dem großen Rückhalt im erfolgreichen Abstiegskampf wurde und von der dortigen Presse euphorisch gefeiert wurde.Seine Stärken liegen vor allem auf der Linie, wo er durch seine starken Reflexe und richtigem Stellungsspiel bei Distanzschüsse, viele Attribute eines routinierten, kompletten Schlussmannes mitbringt und für eine Ablöse von geschätzten 1 Million ein kostengünstiger, qualitativ gehobener Spieler ist, der sich bei den Eindhovenern nicht gegen Talent Zoet durchsetzen konnte und jetzt diese neue Herausforderung sucht.
Rechtsfuß Mitchell Langerak hingegen verlässt Borussia Dortmund nach fünf Jahren und nur 19 Ligaspielen, in denen sich der 26-Jährige trotz seiner geringen Spielanteile nachhaltig den Ruf loyalen, zuverlässig starken Ersatzmannes von Weidenfellers aufbauen konnte. Der ruhige, sichere 1,93 m große Australier sucht nun sein Glück im Schwabenländle, da er seinen Status als ewige Nummer 2 der Borussen, nach der kostspieligen Verpflichtung von Roman Bürki zementiert sah.Für zirka 3.5 Millionen Euro bekommen die Stuttgarter nicht nur einen reaktionsfähigen, sprungstarken Torhüter mit Stärken im Eins zu Eins, sondern auch einen Konkurrenten zu Tyton und Vlachodimos, der jedoch trotz Vorzügen auf der Linie, beiweilen noch Defizite in der Strafraumbeherrschung und fußballerischen Ausbildung am Ball aufweist. Inwiefern die fehlende Spielpraxis und geringe Erfahrung sein wahres Leistungsvermögen offen legen konnte wird man sehen müssen, da Langerak trotz seiner 26 Lenzen keine einzige Saison als Stammspieler in der Bundesliga hinter sich hat.
Ausblick
Auf den ersten Blick scheint der VFB Stuttgart mit dem Torhütertausch nicht nur finanziell einiges gewonnen zu haben, da auch die sportliche Qualität des Torhüter-Trios um einiges höher einzuschätzen ist.Tyton und Langerak werden sich ein Duell auf Augenhöhe liefern, bei der aufgrund der fehlenden Spielpraxis von Langerak und der komplett neuen Liga für Tyton, die letzte Entscheidung noch nicht getroffen ist, aber der Australier vermutlich mit leichten Vorteilen ins Rennen geht. Die lautstarke Kritik an Vorgänger Ulreich und seinen Schwächen beim Herauslaufen, werden nun jedoch nicht wirklich gedeckt, sondern es kommen ähnliche Spielertypen nach Stuttgart. Allgemein kann dieses Duell auf Augenhöhe zu Höchstleistung motivieren, doch erscheint nicht vollständig durchdacht, da Zweifel an der wirklichen Tauglichkeit zur neuen Nummer 1 zu werden, bei beiden Kandidaten bestehen. Man steckt einerseits wertvolle Ressourcen in die Torwartposition, die jetzt solide Bundesliga-Qualität bereithält, verpasst jedoch die Chance dem eigenen Nachwuchs um Vlachodimos und Funk eine größere Rolle zuzugestehen und das gesparte Kapital in die dringend benötigte qualitative Aufrüstung in die schwache Defensivreihe zu stecken. Nachwuchskoordinator Adrion und Torwarttrainer Menger legten diesbezüglich schon häufiger dem Profiteam den jungen Griechen nahe, doch bislang ohne Erfolg. Vlachodimos hätte durchaus das Potenzial für mehr mitgebracht und wird sich nun zwangsläufig seine Gedanken machen müssen, ob er seinen Weg weiter im Drittliga-Team fortsetzen möchte. Die Stuttgarter Baustelle im Tor ist nun geschlossen, doch Torhüter aus dem eigenen Unterbau haben weiterhin keine Hochkonjunktur in diesen frühsommerlichen Tagen 2015. Chance verpasst.