Weihnachten ist das Fest der Liebe und eine Zeit des Innehaltens. Wir denken an Freunde und Bekannte, von denen wir schon lange nichts mehr gehört haben und bei denen wir uns längst noch einmal melden wollten. Gelegentlich wundern wir uns sogar, wie es sein kann, dass man einander aus den Augen verloren hat. Auch Frank Baumann ist stets besorgt um Mitglieder der Bundesliga-Gesellschaft, die schnell vergessen worden sind. Zumindest unterstellen wir ihm das an dieser Stelle. Wenn der sportliche Leiter des SV Werder Bremen in der Weihnachtszeit seinen Whatsapp-Verlauf sehr weit nach unten scrollt, dann wird er einen Namen finden, den viele aus den Augen verloren haben. Jemand, der nach erfolgreicher Vergangenheit klingt. Hinter dem Namen steckt ein Spieler, der den Bremern aber auch in der Gegenwart gut zu Gesicht stehen könnte: Neven Subotic.
Zahlreiche Kader-Baustellen
In meiner Transferkritik zur Verpflichtung von Thomas Delaney (Link) habe ich bereits einige Probleme der Bremer angesprochen. Der Vollständigkeit halber: dem Mittelfeld fehlt es an Passsicherheit, um die Angreifer einzusetzen. Die Abwehr überspielt außerdem das Zentrum viel zu oft, indem es auf lange Bälle setzt. Dazu kommen Außenverteidiger, die durchschnittliche Bundesliga-Qualität besitzen und Torhüter, die dieses Prädikat nur an guten Tagen erreichen. Garniert wird dieses Kader-Buffet mit einer Prise Verletzungspech, einer Handvoll Systemwechsel und einem guten Schuss Trainerwechsel. Fertig ist das Abstiegskampf-Omelette.
Eine breite Basis für TK-Empfehlungen à la carte ist also durchaus vorhanden. Das Mittelfeld ist durch Delaney und die Rückkehr von Bargfrede bereits verstärkt worden. Mit Augustinusson hat man auch auf der Außenverteidiger-Position für den kommenden Sommer nachgebessert. Als neuer Torhüter wird aktuell Koen Casteels vom VfL Wolfsburg gehandelt, der bereits zu seinen Hoffenheimer Zeiten an Bremen ausgeliehen war. Ob dieser eine langfristige Lösung sein kann, sei dahingestellt. In Anbetracht der aktuellen Torhüter-Alternativen in der Bundesliga, stellt Casteels zumindest eine annehmbare Lösung dar. Damit bleibt die Innenverteidigung als einzige Baustelle übrig, die umgehend Renovierungsbedarf benötigt.
Viel Quantität, wenig Qualität
Bremen hat vor der Saison seine Stammverteidigung Djilobodji-Vestergaard abgeben müssen und diese Lücke vor allem quantitativ ausgefüllt. Aktuell befinden sich fünf nominelle Innenverteidiger im Kader. Der ehemalige Freiburger Fallou Diagne ist bereits nach wenigen Monaten als nicht (mehr) bundesligatauglich befunden worden und scheint keine Zukunft zu besitzen. Luca Caldirola fehlte fast die ganze Hinrunde verletzungsbedingt, auch hinter ihm steht ein Fragezeichen. Immerhin könnte er auch als linker Verteidiger eingesetzt werden. Veljkovic ist ein Talent, das noch Zeit benötigt und lieber in Ruhe aufgebaut werden sollte.
Die Innenverteidigung bilden damit aktuell Niklas Moisander und Lamine Sané. Moisander ist der spielstärkere von beiden, der häufiger den Spielaufbau übernehmen muss. Der Däne ist seit Ende September gesetzt und hat seine Sache ordentlich gemacht, gerade seit der letzten Länderspielpause zeigt er sich gefestigt und begeht kaum Fehler. Sané hat deutlichere Schwankungen in seinem Spiel. Top-Leistungen wie gegen Ingolstadt oder Berlin stehen auch komplette Aussetzer wie gegen Freiburg entgegen. Der Senegalese ist eine Macht in der Luft, sein Passspiel fällt aber ab. Beide sind akzeptable Innenverteidiger, denen jedoch ein erfahrener zusätzliche Stabilität verleihen sollte. Auf Kosten des jeweils anderen.
Kann Subotic wieder an seine alte Form anknüpfen?
Ein fitter Neven Subotic könnte sich an dieser Stelle als Stabilisator der Abwehr herausstellen. Der Serbe arbeitet seit Monaten an einer Rückkehr bzw. einer Empfehlung für andere Vereine, sollte Tuchel definitiv auf ihn verzichten wollen. Seine physischen Vorteile, die ihn seit jeher auszeichnen, hat er stets bei Kopfbällen unter Beweis gestellt. Hinzu kommt, trotz seiner Größe, eine ordentliche Grundschnelligkeit. Vor allem seine Passsicherheit zeichnet ihn aber seit seinen Anfängen in der Bundesliga aus. In keiner Saison lag seine Passquote unter 80%, zu Hochzeiten gar bei fast 90%. Was dabei gerne vergessen wird: Subotic ist immer noch erst 28 Jahre alt.
Vor allem aber bringt er entscheidende Vorteile gegenüber den aktuellen Innenverteidigern mit. Er hat seine Qualität über Jahre hinweg bestätigt, auch letzte Saison zählte er bei seinen wenigen Einsätzen zu den notenbesseren Abwehrspielern der Dortmunder. Seine Erfahrung sucht in der Bremer Abwehr seinesgleichen, seine Erfolge ohnehin. Außerdem hebt ihn seine angesprochene Stärke im Passspiel von beiden Kontrahenten ab und würde gerade Moisander entlasten. Sein herausragendes Kopfballspiel könnte die Bremer an Vestergaard und Djilobodji zurückerinnern lassen, insbesondere bei eigenen Standards. Doch neben seiner sportlichen Merkmale dürften gerade persönliche Aspekte für eine Verpflichtung Subotics sprechen. Sein natürliches Selbstbewusstsein wird kombiniert mit reichlich Entschlossenheit, Fußball-Deutschland seine Fähigkeiten zeigen zu wollen. Ein Abwehrspieler, der sich ins Schaufenster stellen möchte, um anderen Vereinen und sich selbst seine Tauglichkeit zu beweisen. Oder salopp gesagt: ein Kerl, der immer noch Bock auf Fußball hat.
Nur wer wagt, kann auch gewinnen
Bevor aber jetzt das Geschrei groß wird. Ja, wir reden von einem Spieler, der effektiv in den letzten 18 Monaten sechs Bundesligaspiele bestritten hat. Ja, er konnte nie wieder an seine herausragenden Leistungen aus der Meistersaison anknüpfen und wirkte einige Male unsicher. Und ja, seine eigentlichen Wechselabsichten gingen gen Ausland, gerade Middlesbrough und der AC Florenz hatten großes Interesse. Aber: diese Umstände und seine Verletzung würden einen solchen Wechsel zum SV Werder Bremen überhaupt erst zulassen. Nur ein Leistungsabfall, im Vergleich zu seiner Glanzzeit unter Jürgen Klopp, lassen ihn im Bremer Dunstkreis auftauchen. Der Wechsel ist auf jeden Fall mit einem Risiko verbunden, dessen wäre sich jeder bewusst.
Daher würde eine Leihe für beide Vereine Sinn machen. Die Dortmunder können Subotic ein halbes Jahr auf höchstem deutschem Niveau beobachten und hoffen, dass er an seine alten Leistungen anknüpft. Damit steht ihnen danach entweder eine neue Abwehralternative zur Verfügung oder ein Spieler mit höherem Marktwert. Bremen hat im besten Fall die Möglichkeit, seine Abwehr kurzfristig zu verstärken, ohne ein langfristiges finanzielles Risiko einzugehen, Weiterverpflichtung optional. Knüpft er nicht an alte Leistungen an oder verletzt sich gar wieder, hat man immer noch genug Alternativen im Kader und keine lange Haftung. Ein Geschäft, das für alle drei Beteiligten Sinn machen würde.
Wenn also die vorweihnachtliche Zeit eine Zeit des Innehaltens ist, dann empfiehlt TK, dass Frank Baumann inne hält und an verdiente Spieler der Bundesliga zurückdenkt, mit denen wir gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum sitzen möchten. Spieler, die uns von Meisterfeiern oder Spontan-Humbas auf dem Autodach erzählen können. Spieler, die auch außerhalb des Platzes als Institution wahrgenommen werden. Spieler wie Neven Subotic.