Blickt man in die verschiedenen Vereinsforen des 1.FC Nürnberg, bemerkt man wie tief die sportliche und finanzielle Krise Wunden bei den Fans hinterlassen hat. Vor einem Jahr das Worst-Case Szenario des Abstieges und der folgenden kompletten Neustrukturierung des Kaders, bei der sich allerdings neben Lichtblicken wie Schöpf, Stark und Blum, meist nur durschnittliche und überbezahlte Spieler im Kader herumtummeln, sodass auch in dieser Saison der Start dem trostlosen Abziehbild des Vorjahres glich. Nun haben die Nürnberger aus finanziellen Engpässen einen weiteren empfindlichen Nackenschlag zu verkraften, da mit dem U20-Kapitän und scheinbar letztem hoffnungsvollen Eigengewächs Niklas Stark den Weg in die Berliner Hauptstadt sucht. Auf welche Qualitäten sich die Berliner nun freuen können, wie die zukünftige Rolle der neuen Nummer 5 aussehen könnte und wie es beim 1.FC Nürnberg weitergeht, liest du im heutigen Artikel.
Sportliche Vergangenheit
Neustadt an der Aich, ein kleines 12.000-Seelen Dörfchen in Mittelfranken. Zwei rüstige Rentner sitzen lebensfroh auf einer der zahlreichen Bänke des Marktplatzes und richten während des angeregten Gespräches den Blick Richtung Kirchturm und halten kurz inne. Selfies, Autogramme oder derartiges sind ihnen suspekt und doch merkt man in der Stille des sonnengefluteten Augenblicks einen gewissen Stolz, wenn gerade Niklas Stark dort vorbeiläuft. Einer von ihnen, nun als Fußballprofi in der Bundesliga. Vom ortsansässigen TSV Neustadt/Aisch ging der dort geborene Niklas Stark mit 9 Jahren nach Nürnberg und entwickelte sich in den verschiedenen Juniorenmannschaften zum Fußballprofi. Unter Michael Wiesinger debütierte Stark im April 2013 in der Bundesliga und reifte in den Folgejahren zu einem wichtigen Bestandteil der Nürnberger Stammelf. Ein Sympathieträger und Eigengewächs, das spätestens durch seine Berufungen für die verschiedenen U-Juniorenmannschaften des DFB und dem Gewinn der Fritz-Walter-Silbermedaille auch national für Interesse und Aufsehen sorgte. Nun wagt Niklas Stark einen weiteren Schritt in seiner Karriere und geht in die Bundesliga zur Hertha, die für einen vergleichsweise moderaten Preis von 3 Millionen Euro Ablöse bis 2019 seine Dienste sicherte. Der 1.FC Nürnberg kann und muss nun Löcher stopfen, die man ursprünglich mit den angedachten Gündogan-Millionen zu decken glaubte, verliert mit dem 1,90m großen Stark, jedoch ein nicht nur körperlich großes Eigengewächs.
Spielertyp und Stärken/Schwächen
Mit dem 20-jährigen Niklas Stark verpflichten die Berliner einen polyvalenten Spielertyp. Ausgebildet als zentral defensiver Mittelfeldspieler, wurde der zweikampfstarke Rechtsfuß auch häufig in der Innenverteidigung eingesetzt und in Notfällen gar in der Außenverteidigung, wie beispielsweise vor kurzem im Derby gegen 1860. Mit seinem Stellungsspiel und der cleveren Zweikampfführung steht der kopfballstarke Jungspund besonders defensiv sehr sicher und gewinnt 65% der Zweikämpfe am Boden, sowie 7 von 10 Duellen in der Luft. Zudem hat dieses junge deutsche Talent eine gute Pass-und Schusstechnik , sowie durch seine starke Physis, da er durch seine Laufstärke und Schnelligkeit einen großen Aktionsradius besitzt. In Nürnberg hat der junge Franke aufgrund von manch fehlender Führungsfigur bereits in jungen Jahren schon die Zügel in die Hand genommen, sodass man sich auf einen charakterlich gefestigten Spieler freuen kann, der bereits im zurzeit schwierigen Nürnberger Umfeld als Führungsspieler seine Rolle erfüllte. Schwächen besitzt der Franke in der Offensivbewegung bei der er noch im Spielaufbau größere Akzente setzen könnte.
Neue sportliche Situation
Bei der alten Dame kann Stark einige Positionen besetzen, doch wird zunächst wohl in der Innenverteidigung eingeplant. Manager Preetz suchte zunächst eine erfahrene Lösung mit Spahic oder dem schon handelseinigen Madlung, doch präferiert nun die Lösung mit Stark, der besonders perspektivisch größere Chancen besitzen dürfte und gegebenenfalls einen höheren Wiederverkaufswert besitzt. In der Innenverteidigung komplettiert er die Riege um Langkamp, Brooks und Kapitän Lustenberger, bei der insbesondere Lustenberger auch im defensiven Mittelfeld eingeplant werden könnte. Langkamp ist in der defensiven Zentrale derzeit der konstanteste Spieler und dürfte den Stammplatz sicher haben. Brooks benötigt noch die gewisse Konstanz und Lustenberger muss sich etwas strecken, da bei ihm einstige Top-Leistungen nun häufiger durch durchschnittliche Auftritte kompensiert werden. Im defensiven Mittelfeld wartet aufrgrund von zahlreichen Verletzungsproblemen (Cigerci) und Abgängen (Niemeyer) mit Hosogai bisher nur ein wirklicher Konkurrent auf Stark, der defensiv mit seiner Dynamik und kompromisslosen Zweikampfführung ordentlich abräumt, aber bei dem die spielerische Komponente beiweilen abhanden geht. Stark kann beide Positionen nahezu ohne Qualitätsverluste spielen und stellt nach den Abgängen von Schulz, Niemeyer und Co. einen wichtigen Kaderspieler dar, der möglicherweise auch auf der linken Verteidigerposition einspringen könnte, wenn die Entwicklung von Mittelstädt nicht plangemäß verlaufen sollte. Neben diesem kostspieligen Transfer, der durch die Einnahmen vom Schulz-Transfer realisiert werden konnte, wird es spannend sein, inwiefern finanzielle Spielräume für die erhoffte Verpflichtung in der Offensive noch bereitstehen. Preetz hat hier mit möglichen Abgängen von Ronny oder Van den Bergh jedoch noch einige Arbeit bis zum Transferschluss zu leisten.
Fazit
Mit Niklas Stark holt Hertha BSC nach Mitchell Weiser ein weiteres junges, deutsches Talent mit großem Potenzial. Stark benötigt allerdings noch etwas Zeit, da ihm ein Jahr sichere Spielpraxis in seiner gesamten Entwicklung gut getan hätte, die er in Berlin im Konkurrenzkampf gegen Brooks und Lustenberger vermutlich vorerst nur als Edelreservist bekommen wird. Für die Ablösesumme macht Manager Preetz jedoch alles richtig, da mittel-bis langfristig die Perspektiven von Stark bei entsprechender Förderung weitaus besser aussehen, da er bei vielen Leuten gar als kommender Nationalspieler gesehen wird und zweifellos Potenzial besitzt. Bei solchen Prognosen muss man aber jedoch noch die Kirche im Dorf im lassen. Den beiden rüstigen Rentnern im Sonnenschein am Kirchplatz in Neustadt/Aisch wäre es zumindest recht, auch wenn sie ihren Held im Dorf nun seltener sehen werden.