Noch nie hat er gegen den „Effzeh“ verloren. Im Vorfeld des rheinischen Derbys am heutigen Sonntag tätigte Gladbach in dieser Woche einen Transfer, den so wohl niemand erwartet hat: mit Raúl Bobadilla kehrt nach sechs Jahren Abwesenheit ein einstiger Derbyheld zurück in den Borussia-Park. Max Eberl erfüllt damit in gewisser Weise den letzten offenen Wunsch der Fans, die seit langem schon eine weitere Alternative im Sturm gefordert haben. Heimlich, still und leise – in bester Eberl Manier eben – hat der Sportdirektor den Wechsel eingetütet, bis zur Bekanntgabe des Medizinchecks wusste so gut wie niemand, dass Bobadilla überhaupt auf den internen Zetteln geführt wurde. Dabei ist der Wechsel logisch, durchdacht und vielversprechend, gleichzeitig jedoch auch eine Absage an eine “große” Lösung im Sturm, nach der viele Anhänger noch immer zu lechzen scheinen. Warum Eberl mit diesem Transfer jedoch genau das richtige Puzzlestück für die Borussia gefunden zu haben scheint, erfahrt ihr nun in unserer Transferkritik.
Bobadilla – von der Skandalnudel zum Leistungsträger
Die Geschichte Bobadillas in Mönchengladbach, welches er bei seiner erneuten Vorstellung am Mittwoch als “Zuhause, wo alles angefangen hat” bezeichnete, beginnt im Jahre 2009 und mal wieder in der Schweiz. Der Argentiniert mit paraguayischer Staatsbürgerschaft wechselte zwei Jahre zuvor vom Traditionsklub River Plate zu den Grashoppers Zürich, wo er beispielsweise in der Spielzeit 2007/2008 auf 25 Torbeteiligungen in 33 Spielen kommt. In der darauffolgenden Spielzeit stehen 8 Tore und 3 Assists in 14 Spielen zu Buche, Max Eberl scoutet Bobadilla frühzeitig und lotst ihn schließlich an den Niederrhein. Eingewöhnungsprobleme hat der bullige Stürmer kaum, bringt sich selbst durch seine Mentalität schnell auf Betriebstemperatur und weiß in seiner ersten Saison in Gladbach vor allem als ablegender Vorbereiter im Sturmzentrum zu gefallen. Bobadilla avanciert durch seine Einsatzbereitschaft und die Leidenschaft, die er immer wieder auf den Rasen bringt, schnell zum Publikumsliebling – “Boba”, wie er genannt wird, brennt sich regelrecht in die Herzen der Fans ein.
Auf dem Platz in der Folgezeit spielerisch nicht immer komplett überzeugend eilt Bobadilla zudem schnell der Ruf eines enfant terrible voraus: er zeigt sich umtriebig im Strafraum, aber auch in etlichen zwielichtigen Etablissements in Mönchengladbach. Seine nächtlichen Streifzüge sieht man unter den Verantwortlichen gar nicht gern, auch im Stadion wirkt Bobadilla immer ungezähmter, die berühmten Pferde gehen des öfteren mit ihm durch. Die letzten Prozent in der eigenen Leistung gepaart mit diesen Ausfällen führen letztlich dazu, dass man sich auf eine Trennung einigt – die Fans sind darüber bis heute überaus gespalten. Dies zeigt sich deutlich in den gemischten Gefühlen zur Rückkehr Bobadillas. Auch wenn es etliche Fürsprecher gibt, scheinen einige Fans ihm seine Eskapaden noch nicht verziehen zu haben. In der Folgezeit wird Bobadilla, mittlerweile Familienvater, reifer, spielt sich in der Schweiz bei den Young Boys Bern und dem FC Basel erneut in den Vordergrund, schwingt sich schließlich bei seiner zweiten Anlaufstelle in der Bundeliga, dem FC Augsburg, zum Leistungsträger auf und ackert sich auch dort zum Liebling der Fans.
Stierkampf in der Arena: Bobadillas Spielweise
Vernimmt man das Medienecho der letzten Tage, so liest man an etlichen Stellen, dass Bobadilla vor allem eins ist: unangenehm für jede Abwehrreihe. Diese Tatsache kann man wohl getrost so unterschreiben. Ob in der Startelf oder als Mann von der Bank, Bobadilla sprüht ab der ersten Sekunde nur so vor Willen und Einsatzbereitschaft, arbeitet an vorderster Linie aggressiv gegen den Ball. Durch Augsburg an einen gewissen Grad an Pressing in der Hälfte des Gegenspielers gewöhnt und mit einem schnellen Umschaltspiel vertraut, besticht Bobadilla durch seine Konsequenz am Ball und seine Durchsetzungsstärke. Lässt er sich aus dem Sturmzentrum fallen, ist er in der Lage, seinen Körper mit viel Geschwindigkeit und Wucht auf die gegnerischen Verteidiger zuzusteuern, den Ball geschickt abzuschirmen und ihn durch seine gute Technik weiterzuleiten. Diese Stärke verschafft ihm entscheidende Vorteile im Eins-gegen-Eins, die ihn ebenfalls zu einer interessanten Variante auf dem rechten Flügel werden lassen. Hier erinnert er von seiner körperlichen Präsenz durchaus an André Hahn, auch wenn er technisch versierter und noch kräftiger ist.
In Mönchengladbach wird Bobadilla aber wohl als echte Alternative im Sturmzentrum gebraucht und erweitert das Gladbacher Spiel durch seine Attribute um eine wichtige Option: Im Hecking’schen 4-4-2 (oder nun aber wohl öfter 3-5-2) fehlte insbesondere gegen tief und kompakt verteidigende Mannschaften in vielen Momenten die Durchschlagskraft. Entweder schiebten die Kreativkünstler um Stindl, Raffael und Hazard den Ball wie eine Handballmannschaft um den gegnerischen Strafraum oder aber brachten Hereingaben in den Strafraum in der bloßen Hoffnung, dass sie jemand verwerten würde – das Spiel verkam in diesen Momenten zum Gedulds- und Nervenspiel. Mit Bobadilla findet Hecking nun einen Stürmertypen vor, der eine Innenverteidigung stark beschäftigen kann. Durch seine Robustheit schirmt er den Ball gut ab und ist so in der Lage, Lücken für seinen Sturmpartner oder die aufrückenden Mittelfeldspieler zu reißen, den Ball abzulegen und so aussichtsreiche Chancen zu kreieren. Bobadilla ist der Typ Brechstange, der dem Gladbacher Spiel in vielen Momenten noch gefehlt hat. Er selbst zögert im Strafraum nicht lange, sondern beißt sich durch und sucht mit seiner Schussstärke den Abschluss – ebenfalls ein Punkt, der den Fohlen lange abging.
Auch wenn Bobadilla natürlich kein Feingeist unter den südamerikanischen Fußballern ist, besitzt er eine gute Technik und kam problemlos in Kombinationsfußball eingebunden werden. Dies ist eine Tatsache, die ihn unter Dieter Hecking, der durchaus gerne mit einer zentralen Spitze agiert, für das Spiel der Gladbacher zu einer besseren Option macht als etwa ein großgewachsener, kopfballstarker Stürmer. Im offensiven Kopfballspiel ist Bobadilla kein Ungeheuer, traf aber auch schon mehrmals in seiner Karriere per Kopf. Den Gladbacher Kader erweitert er gerade nach dem Abgang des angesprochenen Hahns zum HSV durch seine Aggressivität und Mentalität. Die bisweilen zu brave Mannschaft bekommt nun einen Kettenhund, der, wenn er von der Leine gelassen wird, Fans und Mitspieler gleichsam pusht, sich aufopfert und dahin geht, wo es weh tut. Diese Charakterzüge machen Bobadilla bereits zu einer wichtigen Option für das heutige Derby, wo Emotionen und Leidenschaft in letzter Konsequenz über den berühmten Unterschied entscheiden können.
Bobadilla als Plan B: Back-Up, Bulle, Bezugsperson
Lange haben Fans und Dieter Hecking einen Plan B-Stürmer gefordert, Max Eberl, der bekanntlich engen Kontakt zu Ex-Spielern hält, hat ihn zusammen mit dem Chefcoach geliefert. Das Anforderungsprofil war hierbei klar: es sollte ein Stürmer kommen, der zunächst zwar für die zweite Reihe eingeplant wird – Stind, Raffael und Hazard sind gesetzt -, dennoch Druck auf die arrivierten Stammspieler ausübt und den Konkurrenzkampf noch mehr anheizt (wer könnte das besser als ein Bobadilla?). Der Stürmer sollte einen Typen verkörpern, der so im Kader nicht vorzufinden ist, um die Palette der Alternativen je nach Spielverlauf und Gegner zu erweitern. Auch hier passt Bobadilla exakt zu den aufgerufenen Kriterien, ist der gesuchte bullige Back-Up Stürmer.
Doch auch eine weitere Komponente darf nicht außer Acht gelassen werden: Bobadilla fungiert zukünftig als großer Bruder, als Bezugsperson für die junge Sturmhoffnung Julio Villalba, der laut Eberl und Hecking noch isoliert wirkt. Mit Bobadilla stellen ihm die Verantwortlichen nun einen Landsmann zur Seite, der ihm bei der Verständigung zwischen Spanisch und Deutsch helfen und ihn so besser in das Mannschaftsgefüge integrieren kann. Insbesondere unter diesen Gesichtspunkten wirkt der Transfer schon wie ein Geniestreich: Bobadilla ist unter Betrachtung aller Aspekte der perfekte Plan B – ein Spieler, der um seine wichtige Rolle im Kader weiß, den Konkurrenzkampf aber annimmt, Identifikationsfigur für Villalba und Publikumsliebling. Das Risiko ist zudem selbst in Anbetracht seiner Verletzungsprobleme mit 2,5 Millionen Euro Ablösesumme überschaubar. Gladbach sichert sich nun also für zwei Jahre ein wichtiges Puzzlestück, das in einigen Situationen den letzten, fehlenden Punch bedeuten könnte.