Herzlich Willkommen zu Teil 2 unserer Reihe „Bares gegen Rares – HSV Edition“. Unser Schnäppchenjäger Heribert Bruchhagen hat sich wieder auf den Weg gemacht, um den Hamburger Fußballverein aufzumöbeln. Objekt der Begierde ist heute ein griechischer Schrank, Marke Massivholz. Obwohl er noch recht jung ist, hat unsere Kante bereits einige Verbrauchsspuren, die ihn deutlich älter erscheinen lassen, als er eigentlich ist. Weil Bruchhagen, der alte Sparfuchs, das weiß, hat er sich entschlossen, die griechische Holzwand vorerst nur auszuleihen. Schließlich will er schauen, ob das heimische Wohnzimmer einen südeuropäischen Einschlag vertragen kann. Oder anders gesagt: Der HSV leiht Kyriakos Papadopoulos vom Ligakonkurrenten RB Leipzig aus, um seine Innenverteidigung weiter aufzubessern.
Unglücksrabe trifft Wandervogel
Papadopoulos ist seit nunmehr über sechs Jahren fester Bestandteil der Bundesliga. 2010 verpflichtete Schalke den damals 18-jähirgen Griechen und zog ihn zu einem gestandenen Bundesliga-Profi heran, der es in vier Jahren auf Schalke auf über 60 Bundesligaeinsätze brachte. Unangefochtener Stammspieler in seinem zweiten Jahr bei den Knappen, warfen ihn seitdem kleinere und größere Verletzungen immer wieder zurück, sodass er in keiner Saison mehr als zehn Spiele verzeichnen konnte. Durch diese Rückschläge verlor er letztlich auch seinen Stammplatz und wechselte nach Leverkusen, zunächst per Leihe und anschließend endgültig für über sechs Millionen Euro. Am Rhein brauchte er Anlaufzeit, um zum Stammspieler zu werden, hatte sich aber gerade zum Ende der Leihe hin festgespielt. In der vergangenen Saison verlor er im Laufe der Hinrunde diesen Platz. Das lag zum einen an den überraschend starken Leistungen von Jonathan Tah, der mit Ömer Toprak zusammen überzeugen konnte, und zum anderen an weiteren Verletzungen, wie zum Beispiel einem Sehnenriss in der Wade.
Als ein Stammplatz in weiter Ferne schien, ließ er sich nach Leipzig ausleihen, in der Hoffnung, dass er der jungen Abwehr mit seiner Erfahrung weiterhelfen kann. Wieder machte ihm eine Mischung aus Verletzungen, dieses Mal das Knie, und einer erfolgreichen Phase ohne ihn ein Strich durch die Rechnung. Und wieder zeigt sich ein Muster: Sobald es nicht zum Stammplatz reicht, sucht der Grieche das Heil in der Flucht und wählt den nächsten Verein. Zwar spielen besagte Verletzungspausen und in der Folge der Wunsch nach Einsatzzeit eine Rolle bei seinen Vereinswechseln, ein fader Beigeschmack bleibt jedoch. Dabei muss man das „Söldner“-Fass gar nicht aufmachen, denn auf dem Platz überzeugt Papadopoulos vor allem mit seinem unbändigen Einsatz. Steht er einmal auf dem Rasen, gibt es keinerlei Zweifel an seiner Einstellung. Das wird auch in Gesprächen mit den Vereinsverantwortlichen deutlich, die weitestgehend angetan von ihm sprechen. Es wirkt einfach als würde es nie so ganz passen für den verletzungsanfälligen Nationalspieler Griechenlands.
Kompromisslos, kompromissloser, Papadopoulos
Das Spiel des Griechen lässt sich nur schwierig an Zahlen belegen, trotzdem wollen wir einen Versuch starten, seine Spielweise zu sezieren. Auffällig ist seine starke Zweikampfquote. Er entscheidet in der Regel über 60% der Zweikämpfe für sich, wobei ihm besonders seine physische Art entgegenkommt. Geschicktes Timing, nötige Aggressivität und unbändiger Wille machen ihn zu einem schwer überwindbaren Abwehrspieler. Er weiß außerdem seinen Körper in der Luft einzusetzen und kann auch einen Großteil der Kopfballduelle für sich entscheiden, obwohl er nur moderate 1,84m misst. Kein Gardemaß für einen Innenverteidiger. Seine größte Stärke besitzt er jedoch im Antizipieren bzw. Klären von Bällen. Auch bedingt durch die Art der Leverkusener Verteidigung (hoch, pressend und auf direkten Gegenangriff ausgelegt), sind seine Werte aus seiner Zeit beim Werksteam verhältnismäßig hoch in diesem Bereich. Regelmäßig stoppt er Angriffe, um Angriffe einzuleiten oder der Abwehr Zeit zum Sortieren zu geben.
Diese Zahlen und Aspekte sind jedoch seinem emotionalen Beitrag unterzuordnen. Mit seinem Siegeswillen und seinem Einsatz geht er stets voran und versucht, seine Mannschaft mitzureißen. Von den Fans wird er für diese Einstellung mehr als geachtet. Kaum ein Spieler geht dermaßen kompromisslos in Zweikämpfe nur um ein Statement abzugeben: „Bis hierhin und nicht weiter.“
Jedoch übertreibt er es ein ums andere Mal mit seinem Einsatz. 23 gelbe und insgesamt vier Platzverweise sind eine stolze Bilanz in weniger als 100 Bundesligaeinsätzen. Der griechische Heißsporn überdreht in hitzigen Situationen gerne und ist schnell platzverweisgefährdet. Fußballerische Schwächen finden sich auch. Seine Technik ist passabel und macht ihn auch im Mittelfeld einsetzbar, jedoch zeigt er im Passspiel Ungereimtheiten. Seine Quote variiert hier deutlich, pendelt sich aber bei knapp über 80% ein. Das mag ein ordentlicher Wert sein, aber er spielt verhältnismäßig wenig Pässe, so waren es in der vergangenen Saison durchschnittlich etwa nur 30 Pässe pro Partie. Wenn man jedoch bedenkt, wie viele Pässe die Hamburger derzeit etwa spielen, dann passt Papadopoulos sehr gut in die Mannschaft. Vor allem seine Verletzungshistorie dürfte aber der größte Kritikpunkt sein und überschattet seine fußballerischen Qualitäten.
Das Prinzip Hoffnung wird mit verpflichtet
„Wir bekommen mit Papadopoulos einen variablen Defensivspezialisten mit großem Kämpferherz“, sagte Neu-Manager Jens Todt bei der Vorstellung des Griechen. Eine blumige Aussage mit relativ wenig Inhalt, schließlich braucht der HSV vor allem Innenverteidigerspezialisten, um die größte Kaderlücke zu schließen. Mit Variabilität und Kampf kommt man nicht weit in der Tabelle, wie die Hanseaten Jahr für Jahr bewiesen haben. Dennoch passt die Aussage zu Papadopoulos, dessen Hauptarbeitsstätte die Innenverteidigung sein wird.
Trainer Markus Gisdol hat bereits angedeutet, dass es zum kommenden Spieltag nicht reicht und Djourou und Mavraj anfangen dürften. Auf Dauer kann Papadopoulos den Schweizer Djourou ohne Probleme verdrängen. Eine Innenverteidigung Papadopoulos-Mavraj wäre im physischen Bereich in jedem Fall sehr stark. Mit Mavraj als zentralem Aufbauspieler und Kopf der Abwehr könnte der Grieche seine kämpferischen Qualitäten vollends zur Geltung bringen. Ob er auch auf der Sechs eingesetzt wird, hängt von weiteren Verpflichtungen der Hanseaten ab.
Letztlich bleiben jedoch zwei große Fragezeichen. Hilft dem HSV ein Spieler weiter, der in den vergangenen fünf Jahren maximal zehn Spiele pro Saison machen konnte? Zwar betont der Spieler, dass er fit und einsatzbereit sei, die Frage dürfte nur sein: Wie lange? Und außerdem wird spannend sein, wie Papadopoulos auf mögliche Rückschläge reagiert. Er hat noch nie in einer Mannschaft gespielt, die sportlich derart nah am Abgrund agiert und seine Vita zeigt, dass er mit Misserfolgen nur schwerlich umgehen kann. Zwar ist er nicht als medialer Unruheherd bekannt (viele Grüße an Emir Spahic), aber seine Reaktionen zeigen ein gewisses Schema. Klar ist aber auch, dass der HSV mit einem fitten ‚Papa‘ eine Qualitätssteigerung in der Abwehr erfahren wird. Daran gibt es keinen Zweifel. Vor allem ist er ein Kämpfer, der auch fußballerisch vorangehen kann und solche Spieler kann der HSV sehr gut gebrauchen. Am besten noch ein, zwei oder drei mehr. Nur so kann man mit einem griechischen Massivschrank sein ganzes Wohnzimmer besser aussehen lassen und genau das haben die Hamburger vor.