Was ist bloß los mit dem TSV 1860 München? In der vergangenen Spielzeit ist man mit Ach und Krach dem Abstieg in die 3. Liga entgangen. Nun, nach vier absolvierten Spieltagen in der zweithöchsten Klasse des deutschen Fußballs, bleibt man mit nur zwei Zählern und damit dem Relegationsrang 16 schon wieder weit hinter den Erwartungen zurück. Es scheint, als würde der in letzter Zeit so krisengebeutelte Turn- und Sportverein auch in dieser Saison den Pfad des Misserfolgs nicht verlassen können. Hoffnung, dass es anders kommen wird, kann man sich in der bayerischen Landeshauptstadt nach der Verpflichtung des österreichischen Nationalspielers Michael Liendl machen. Der 29-Jährige wechselt vom Ligakonkurrenten Fortuna Düsseldorf für eine Ablösesumme zwischen 300.000 und 400.000 Euro zum TSV 1860 München und bindet sich vertraglich bis 2017.
Sportliche Vergangenheit
Ein Rückblick in der Karriere von Michael Liendl: Die Saison 2008/ 2009 der Ersten Liga in Österreich ist beendet. Ganz oben auf dem Treppchen stehen die stolzen Kicker des Kapfenberger SV und freuen sich über die Meisterschaft sowie den damit verbundenen Aufstieg in die höchste Spielklasse des österreichischen Fußballs. Besonders stolz auf seine Leistungen kann Spielmacher Michael Liendl sein, der sich zurecht als „MVP“ seines Teams bezeichnen kann. Die Vereinigung der Fußballer in Österreich wählte ihn im Anschluss an jene Saison zum Fußballer des Jahres der Ersten Liga. Nach vier Jahren in der österreichischen Bundesliga, in denen er für die Wiener Austria und den Wolfsberger AC aktiv war, erfüllte sich der gebürtige Grazer im Januar 2014 einen Traum mit dem Wechsel ins Ausland zur Düsseldorfer Fortuna. Dort machte Liendl sofort mit guten Leistungen auf sich aufmerksam, was sich einige Monate später in der erstmaligen Berufung durch Marcel Koller in den Kader der Nationalmannschaft widerspiegelte.
Spielertyp/ Stärken und Schwächen
Mit dem 1,75-Mann kommt ein kreativer Offensivspieler vom Rhein an die Isar, der sich auf der Position des Spielmachers am Wohlsten fühlt. Liendls größte Stärke liegt sicherlich in der Spielgestaltung. Dabei profitiert er vor allem von seiner guten technischen Ausbildung. Der Österreicher ist in der Lage, im Angriffsspiel den Takt vorzugeben sowie das Tempo zu bestimmen. Im Stile eines typischen „Zehners“ weiß er das Geschehen auf dem Feld zu analysieren und setzt dabei seine Mitspieler mit gezielten Pässen immer wieder gefährlich ein. Mit elf Treffern und zwölf Vorlagen hat der 29-Jährige bei den Fortunen sowohl seine Torjägerqualitäten als auch sein Talent als Assistgeber unter Beweis gestellt. Darüber hinaus schlägt der Neu-Löwe gute Standards. Als auffälligste Schwäche dagegen, ist sein Defensivverhalten zu nennen. Auf der „6“ stellt der Ex-Düsseldorfer keine wirkliche Alternative dar.
Liendl in München
Im Mittelfeld des Düsseldorfer Turn- und Sportvereins von 1895 war Michael Liendl absolut gesetzt. Er hatte das uneingeschränkte Vertrauen des Trainers und konnte die Erwartungen anfangs erfüllen. Doch zuletzt, präziser ausgedrückt am Ende der vergangen Saison, wurde der Spielmacher zunehmend unzufriedener und unglücklicher. Seine Formkurve zeigte nach unten. Dies könnte dadurch zu erklären sein, dass Liendl aufgrund von Verletzungen seiner Mitspieler große Verantwortung zu übernehmen hatte und damit sehr viel Last auf seinen Schultern tragen musste.
Bei den Löwen will er zu alter Stärke zurückfinden und das Spiel des TSV als Denker und Lenker im Mittelfeld machen. Die sportliche Leitung der „Sechzger“ musste auf die Verletzung von Stephan Hain reagieren und erhofft sich von dem Transfer mehr Kreativität, Schwung und Gefahr im Offensivspiel. Denkbar wäre, dass Liendl in einem 4-1-3-2-System auf der „10“ agiert. Von dort aus könnte er dem Angriffsspiel der Löwen mehr Dynamik und Variabilität verleihen. Zudem könnte Michael Liendl für mehr Torgefahr sorgen, indem er entweder selbst den Abschluss sucht oder seine Nebenleute kreativ in Szene setzt. In Person von Daniel Adlung und Daylon Claasen hat er jedoch starke Konkurrenz im Mittelfeld. Adlung ist ein technisch starker Spieler, der stets durch kämpferischen Einsatz überzeugt. Im Gegensatz zu Liendl kann er durchaus auch eine defensivere Rolle übernehmen. Claasens Vorzüge liegen sicherlich in seiner Schnelligkeit sowie Variabilität in der Offensive. Darüber hinaus muss Mittelstürmer Stefan Mugosa als Konkurrent Liendls erwähnt werden, der vor knapp zwei Wochen vom 1.FC Kaiserslautern zu den Münchnern gewechselt ist. Im Hinblick auf die personelle Situation und auf die Tatsache, dass sich Fröhling noch nicht auf ein spezielles System festgelegt hat, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen, welchen Part der Österreicher bei den Löwen einnehmen wird.
Fazit
Mit dem Wechsel zum TSV 1860 beginnt für den österreichischen Nationalspieler in München ein neues Kapitel sowie eine neue Herausforderung in seiner Karriere. Sollte es ihm gelingen, an seine starken Auftritte, die er zweifelsohne in Düsseldorf hatte, anzuknüpfen, liegt ein Platz in der Startelf von Torsten Fröhling durchaus im Bereich des Möglichen. Und wer weiß? Möglicherweise gelingt dem Österreicher eine ähnlich starke Saison wie vor einigen Jahren in Kapfenberg und er wird auch in Deutschland zum besten Spieler der zweiten Liga ausgezeichnet. Doch das bleibt selbstverständlich noch abzuwarten. Abzuwarten bleibt auch, ob nur ein neuer, kreativer Impuls ausreicht, um die in letzter Zeit so zahmen Katzen wieder zu bissigen Löwen zu machen.