Kevin Danso: Ein neues Talent aus der Puppenkiste?

Es läuft die Anfangsphase im Bundesligaspiel zwischen Augsburg und Leipzig. Emil Forsberg drängt mit dem Ball an die Torauslinie, ein gefährlicher Torabschluss liegt in der Luft. Nahe dem Fünfmeterraum hat der Schwede zwei Möglichkeiten: Ein scharfer Ball in die Mitte oder ein Schuss aus spitzem Winkel. Es brennt in jedem Fall lichterloh im Strafraum der Augsburger. Doch ehe Forsberg eine Entscheidung treffen kann, wird er durch eine perfekt getimte Grätsche vom Ball getrennt. Ein beeindrucktes Raunen geht durch das Stadion, aufgrund der perfekten Abwehraktion.

Ein Tackling, das Abwehrliebhaber Freudentränen in die Augen treibt. Eine Vereitlungstat, die zu einer spontanen Zusammenkunft von Paolo Maldini, Franz Beckenbauer und Laurent Blanc führt, um einen neuen Spieler in ihren Reihen aufzunehmen. Ein Zweikampf, der Mats Hummels zu seiner Grätsche gegen Branimir Hrgota beeinflusst haben muss. Ganz ohne Frage.

Das wahrliche Besondere an der ganzen Aktion? Kein routinierter Abräumer hat Forsberg vom Ball getrennt, sondern ein 18-jähriger Bundesliga-Debütant, der nicht einmal gelernter Abwehrspieler ist. Kevin Danso beeindruckt in seinem ersten Profispiel vor zehn Tagen derart, dass er kurz darauf seinen ersten Profivertrag unterschreiben darf.  Wir werfen einen Blick auf das neueste  Talent der Augsburger, dessen Bruder einen immensen Einfluss auf seine Karriere hatte.

Eine E-Mail, die alles verändert

„Sehr geehrte Damen und Herren der österreichischen U15-Nationalmannschaft, mein Bruder spielt bei MK Dons in der Jugendmannschaft, hat österreichische Wurzeln und wäre überaus geeignet, in Ihrer Auswahlmannschaft zu spielen. Laden Sie ihn ein und überzeugen Sie sich selbst. Herzliche Grüße, Emmanuel Danso“. So oder so ähnlich beginnt der steile Aufstieg des Kevin Danso. Mit einer einfachen Mail, die sein Bruder an den österreichischen Verband sendet. Zu diesem Zeitpunkt ist Kevin seit zehn Jahren mit seiner Familie in England. Die Eltern, beide mit ghanaischen Wurzeln, verlassen Österreich, als Kevin sechs Jahre alt ist. In England angekommen, schnürt er seine Schuhe für Milton Keynes Dons, ein Verein, der hauptsächlich dafür bekannt ist, Nachfolger-Verein für den legendären FC Wimbledon zu sein. In sämtlichen Jugendmannschaften ragt Danso heraus, sodass sein Bruder Emmanuel das Heft des Handelns in die Hand nimmt.

Mit einer Initiativbewerbung beim Fußballverband unseres Nachbarlandes nimmt das Schicksal seinen Lauf. Die Verantwortlichen wussten nicht einmal, dass es potenzielle österreichische Auswahlspieler in den unteren englischen Ligen gibt und sind erstaunt über die ungewöhnliche Bewerbung. Danso wird tatsächlich zu einem Lehrgang eingeladen und feiert kurz darauf sein Debüt für die U15-Auswahl. Dass er auch in seinem ersten Spiel für die Auswahl seines Landes überzeugen kann, bleibt dem Augsburger Chefscout Stephan Schwarz nicht verborgen. Dann geht alles ganz schnell: Schwarz überzeugt den Spieler, sich dem Jugendinternat der Fuggerstädter anzuschließen. Dieser verlässt mit kaum 16 Jahren seine Familie in England und zieht alleine nach Deutschland. Obwohl er seit zehn Jahren nicht mehr Deutsch gesprochen hat und die Sprache neu lernen muss. Manchmal muss man eben Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten.

Polyvalenz hat einen Namen

In den Jugendmannschaften der Augsburger knüpft er unmittelbar an seine Leistungen an. Zunächst als Stürmer, genau wie zuvor in England, später dann auch im zentralen oder defensiven Mittelfeld. Er profitiert von seinen physischen Gegebenheiten, denn Danso ragt im wahrsten Sinne des Wortes heraus. Durch seine Größe von 1,90m ist er für die Abwehr prädestiniert, besonders unterstützt durch die Art, wie er seinen Körper einzusetzen weiß. Der junge Österreicher besticht nämlich vor allem durch gutes Timing in Zweikämpfen und einem guten Auge für das Spiel. Gerade in der Mittelfeldzentrale kann er durch seine Spielübersicht ein Spiel in der Offensive an sich reißen und gleichzeitig defensiv unüberwindbar bleiben. Letzteres konnte er auch im Spiel gegen Leipzig, in dem ihm beeindruckende  zwölf Balleroberungen gelingen und er jedes Tackling für sich entscheiden kann.

Seine offensiven Qualitäten beweist er hingegen hauptsächlich in der U19 in dieser Saison. Hier gelangen ihm bislang sechs Treffer in 15 Spielen. Nicht zuletzt dank seiner Leistung grüßt die U19 der Augsburger aktuell vom zweiten Tabellenplatz in der A-Junioren Bundesliga Süd/Südwest. Ein Treffer ist ihm ebenfalls für Augsburg II bereits gelungen. In den Playoffs um den Aufstieg in die Regionalliga wird er auf dem rechten Flügel eingesetzt und avanciert mit seinem Tor zu einem der Protagonisten.

Augsburg 2.0?

Trotz dieser Leistung waren die meisten Kenner überrascht, als Danso gegen Leipzig sein Debüt  feiern durfte. Zwar war man von den Qualitäten des 18-Jährigen überzeugt, aber Trainer Baum verblüffte mit zwei Tatsachen. Zum Einen ist es unüblich, dass man seinen ersten Profieinsatz gegen eines der Topteams der Liga feiern darf. Zum A nderen ist es noch unüblicher, dass man dabei auch noch auf einer eigentlich ungewohnten Position spielen muss. Wie es trotzdem dazu kommen konnte? Ein Vorteil ist, dass Baum zuvor Chef des Nachwuchsleistungszentrums der Augsburger war und daher Danso aus erster Hand kannte. Vor allem seine körperliche Präsenz habe den aktuellen Cheftrainer in der Jugend überzeugt, sodass er bereits  seit längerem Danso als Verteidiger gesehen habe.

Die absolut überzeugende Leistung bestätigt daher nicht nur das Trainerteam in seiner Entscheidung, sondern auch den Weg, den die Augsburger in dieser Saison eingeschlagen haben. Der junge Österreicher ist bereits der vierte Bundesliga Debütant der Fuggerstädter in der laufenden Saison. Julian Günther-Schmidt, Tim Rieder und Raphael Framberger haben es ihm vorgemacht. Letzterer kann bereits drei Einsätze für sich verbuchen und startete ebenfalls gegen Leipzig, ehe er sich unglücklich eine Meniskusverletzung im gleichen Spiel zuzog. Die Installation Baums als Cheftrainer der Profis und das Debüt  Dansos in Folge dessen, sind letztlich also nur das Produkt einer konsequenten Verjüngungskur des Bundesligakaders. Das ist umso beachtenswerter, wenn man an die ersten Bundesligasaisons der Augsburger zurückdenkt. Trainer Weinzierl schaffte es damals aus einer Truppe der Vergessenen (Baier, Werner, Altintop, etc.) eine schlagfertige, aber erfahrene Truppe zusammenzustellen. Der aktuelle Trend zur Integration junger Spieler ist demnach gleichzeitig Zeichen der erworbenen Bundesligaetablierung und Betonung der herausragenden Jugendarbeit.

Wie wird man keine Eintagsfliege?

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Danso öfter sehen werden ab sofort? Die Antwort darauf ist schwierig. Sagen wir so: Nicht so groß, wie man annehmen könnte, aber auch nicht so klein, wie man befürchten muss. Obwohl vier Jugendspieler ihr Debüt  in dieser Saison feiern durften, kommen sie zusammen erst auf 331 Bundesliga Spielminuten. Mit Baum mag zwar eine Kaderverjüngung forciert worden sein, die Startaufstellung ist aber nur in seltenen Fällen davon betroffen. Zwar bringt Kevin Danso die körperlichen Voraussetzungen mit, um sich auf dem höchsten Niveau etablieren zu können, aber er wird sich noch deutlich verbessern müssen.

Da wäre sein Passspiel, das größere Sicherheit braucht, insbesondere wenn er weiter in der Abwehr eingesetzt wird. Das Leipzig-Spiel mag nicht repräsentativ sein, seine Passquote von 60% in besagtem Duell muss jedoch in jedem Fall ausgebaut werden. Trotz seiner guten Spielübersicht und seines Stellungsspiels zeigte er noch Probleme, sich an das höhere Spieltempo zu gewöhnen. Der Sprung aus der U19 in die Bundesliga ist kein leichter, das hat man trotz des guten Einstandes sehen können. Diese Zeit der Eingewöhnung wird man ihm auch noch in der Abwehr geben müssen, wo er langfristig eingeplant werden soll.

Auf lange Sicht stellt er aber einen Spielertyp dar, den Augsburg so nicht im Kader hat, denn sowohl Hinteregger als auch Kacar haben andere Stärken als Danso. Wenn dieser seinen Weg weiterhin so konsequent geht, darf man sich freuen, ein neues Gesicht   öfter in der Bundesliga zu sehen. Mit Manuel Baum hat er einen Trainer, der nicht nur den Erfolg zurückgebracht hat (Neun Spiele, 14 Punkte), sondern auch die Jugendspieler persönlich kennt. Es gibt schlechtere Voraussetzungen, um sich in der deutschen Belletage zu etablieren. Sollte es wider Erwarten doch schiefgehen, gibt es ja immer noch Bruder Emmanuel, der die Tasten zum Glühen bringen kann. „Sehr geehrter Herr Baum, …“.

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