Mit Jhon Cordoba verlässt Mainz 05 ein vielversprechender Stürmer in Richtung Köln. Cordoba, der in der Domstadt möglichst zum Modeste Nachfolger reifen soll, stand im Spiel der Mainzer dafür, den Ball in der Spitze durch seine Physis und Stärke im Abschirmen festzumachen. Seine Durchsetzungsstärke half ihm im Dribbling dabei, sich im 1-gegen-1 durchzusetzen und sich so entscheidende Vorteile auf dem Weg in die Box zu verschaffen. Einzig beim Torabschluss hätte man sich wohl noch mehr von Cordoba erhofft. Rouven Schröder stand nun also vor der Aufgabe, den bulligen Stürmer ersetzen zu müssen und verpflichtete Kenan Kodro vom CA Osasuna. Wie viele Spieler ruft er durch seinen Nachnamen Phantasmen einer älteren Generation hervor: Sein Vater, Meho Kodro, gilt als ein großer Spieler in Bosniens Fußballhistorie. Doch was zeichnet Kenan Kodros eigene Stärken und Schwächen aus? Wie unterscheidet er sich von Cordoba? Wir haben den Neuzugang für euch analysiert.
Ein Hauch von Weltfußball
An einem gewohnt heißen Sommertag erblickt Kenan Kodro am 19. August 1993 im baskischen San Sebastián das Licht der Welt. Als Kenan gerade drei Jahre alt wird, darf sein Vater während der eigenen Profikarriere zumindest für kurze Zeit einen Hauch von Weltfußball spüren: zu Beginn der Saison 1995/96 verpflichtet ihn der FC Barcelona von Real Sociedad San Sebastián. Es folgen Stationen beim CD Teneriffa, Deportivo Aláves und Maccabi Tel-Aviv. Mittlerweile trainiert Vater Meho – nach Stationen als Co-Trainer bei Real Sociedad und dem Chefposten beim FK Sarajevo – Servette Genf in der Schweiz.
Und Kenan? Seine fußballerische Adoleszenz verbringt er in San Sebastián, mit 16 Jahren gelingt ihm 2009 der Schritt vom Provinzklub Antiguoko zu Real Sociedad, dessen Profimannschaft eben von Vater Meho an der Seitenlinie mitbegleitet wird. In der Folgezeit spielt er sich nach einem kurzen Intermezzo 2012 beim baskischen Klub Lagun Onak in der Zweitvertretung San Sebastiáns stärker in der Vordergrund. Für den großen Schritt hin zur Profimannschaft sollte es jedoch nicht reichen – wohl auch, weil San Sebastián traditionell über eine überaus gute Jugendarbeit verfügt und der Konkurrenzkampf sich dadurch besonders hart gestaltet. Es folgt der Wechsel nach Osasuna und der Weg über die zweite spanische Liga zurück in die höchste Spielklasse. Kodro, der sich immer stärker als Stammspieler zu behaupten weiß, zählt in der letzten Spielzeit zu einer der Säulen in der ersten Mannschaft. Parallel wird Kodro, der sowohl die bosnische als auch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, auch in die bosnische Nationalmannschaft berufen; ein Umstand, der besonders Vater Meho erfreuen dürfte.
Kodro – ein kompletter Stürmer?
Bei Osasuna agierte Kodro, der über einen satten Schuss aus der Distanz verfügt, auffällig oft aus dem Halbfeld. Dies ist wohl auch dem zurückgezogenen Spielsystem der Mannschaft geschuldet, die zunächst stark auf das Verteidigen bedacht ist, um dann in vielversprechenden Situationen schnell umschalten zu können. Dabei sucht Kodro aus den unterschiedlichsten Lagen auffällig oft selbst den Abschluss, besitzt jedoch auf dem Weg zum Tor – wenn er sich nicht gerade in Eigensinnigkeit verliert – auch ein gutes Auge für den besser postierten Mitspieler. Wenn Rouven Schröder ihn in Interviews also als kompletten Stürmer bezeichnet, hat er dabei durchaus recht. Aufgrund seiner 1,90m Körpergröße ist Kodro ebenfalls stark als Anspielstation an zentraler Stelle, verteilt den Ball durch seine technischen Fertigkeiten danach gut. Er ist, anders als Cordoba, aufgrund seines höheren Körperschwerpunktes zwar weniger Dampfwalze, doch auf seine eigene Weise ebenfalls physisch robust und durchsetzungsstark. Gleichzeitig bringt er aber auch eine gewisse Agilität mit; hier werden, zumindest im Ansatz, unweigerlich Vergleiche zu Landsmann Edin Dzeko deutlich. Die Kombinationssicherheit, die Schröder ihm attestiert, kann man angesichts einer Passquote von 74,9% (vgl. Cordoba 68,4%) unterstreichen. In offensiven Luftduellen weisen beide eine ähnliche Erfolgsquote auf, Kodro ist jedoch stärker im Kopfballspiel auf das Tor einzsuchätzen. Kodro besitzt aufgrund dieser Fähigkeiten deutliche Stärken im Strafraum, bringt sich hier durch ein kluges Positionsspiel immer wieder in aussichtsreiche Positionen.
Das Prädikat “kompletter Stürmer” ist jedoch nicht direkt gleichzusetzen mit einer Erfolgsgarantie. Will sich Kodro auf Dauer in Mainz unverzichtbar machen, so muss er definitiv an seiner Torquote arbeiten. Die Voraussetzungen dafür bringt er, ob aus der Distanz, im Dribbling aus dem Halbfeld oder dem Strafraum, zwar mit, muss jedoch an einigen Stellen noch seine Präzision in entscheidenden Aktionen verbessern und einige Schludrigkeiten abstellen. In Mainz sollte man durch ihn im Sturm keinen Tempofußball erwarten – es besteht vorab eher die Gefahr, dass er in Angesicht der explosiven Mainzer Offensive die Spielgeschwindigkeit etwas verschleppen könnte. Kodro spielt aus dem Halbfeld kommend gerade dann am besten, wenn er Platz vor sich hat und sich für den Schuss positionieren kann – dies dürfte im Vergleich zu Spanien in der Bundesliga deutlich seltener der Fall sein. Vor allem aber muss er einen gepflegten Egoismus, der sich teils in Eigensinnigkeit und Verspieltheit niederschlägt, abstellen, um im Kollektiv Mainz funktionieren zu können.
Kodro und die Variabilität
Wie fügt sich Kodro also in das große Ganze, das Mannschaftsgefüge ein? Nun, das hängt natürlich auch davon ab, wie Trainer Sandro Schwarz in der neuen Saison spielen lassen wird. Kodro wäre zumindest für die langen Bälle und die Überbrückung des Mittelfeldes, wie sie unter Martin Schmidt oft praktiziert worden sind, eine gute Anspielstation in der vorderen Reihe. Auch in ein Umschaltspiel lässt er sich einbinden, neigt unter zu starkem Druck jedoch auch zu Ballverlusten im eigenen Dribbling. Eine Variante, die durchaus vorstellbar ist, wäre Kodro als zentraler Strafraumstürmer, der sich bei Bedarf fallen lässt und Muto als hängender Spitze, die ihn umspielt. Maxim als zentraler Spielmacher hinter den Spitzen, der es schaffen sollte, Kodro in aussichtsreiche Positionen zu bringen, erhöht in einem solchen System ebenfalls die Gefahr. Auch in einem 4-3-3 mit dem schnellen de Blasis, Jairo oder Neuzugang Viktor Fischer auf links sowie Öztunali oder Onisiwo auf rechts ist weiterhin denkbar. Hierbei würde Kodro wohl eher noch die Rolle als ‚Stoßstürmer‘ ausfüllen. Es bleibt abzuwarten, ob ihm der Sprung aus Osasuna in die Bundesliga gelingt und ob seine vielversprechenden Ansätze Für 1,75 Millionen Euro Ablösesumme geht Mainz jedenfalls kein zu großes Risiko ein und gewinnt eine interessante Alternative im Sturm hinzu.