Graue Häuserfassaden der Plattenbauten, die Abgaswolken der Schornsteine der zahlreichen Schwerindustrieunternehmen steigen ohne Pause gen Himmel empor. Ein tristes Bild, dass sich dem Außenstehenden nicht erst seit Tagen der landesweiten Unruhen bietet. Donezk, eine typische Industriestadt mitten in der Ostukraine, wo einerseits viele vom Schicksal gebeutelte Menschen, aus der Not eine Tugend machen und weiter die Ärmel hochkrempeln und auf der anderen Seite sich eine gehobene Gesellschaft gebildet hat. Diesen Clash of Cultures inmitten der eigenen Stadtgrenzen konnte bislang nur Schachtjor Donezk schließen, der sowohl den Arbeiter im Blaumann und den Geschäftsmann gleichermaßen begeistern konnte, mit Offensivfußball a la Brasil. Aufbauend auf einer resoluten, kompromisslosen osteuropäischen Abwehrreihe zaubern seit dem Einstieg des Milliardärs Ahmetov, eine Vielzahl von brasilianischen Ausnahmekönnern für Donezk, mit der Hoffnung auf eine große Karriere in West-und Mitteleuropa. Der nächste Spieler nach Willian, Fernandinho und Co., der jetzt den Sprung wagt und seine Koffer packen kann, ist Douglas Costa, 35-Millionen schwerer Neuzugang des deutschen Rekordmeister FC Bayern München. Eine Reise in eine neue Welt.
Der 24-jährige sechsmalige brasilianische Nationalspieler Douglas Costa agiert vornehmlich auf der Rechtsaußen-Position ist aber aufgrund seiner starken Technik, sowie taktischen Reife polyvalent einsetzbar und kann außerdem auf dem linken Flügel, sowie auch den Außenverteidiger spielen. Der 1,72 m kleine Linksfuß bestach seit seinem Wechsel von Gremio Porto Alegre 2010 zum diesjährigen Vizemeister vor allem durch seine Dribbelstärke, seinem Trick-und Einfallsreichtum, sowie seinem Spielwitz, sodass er das kreative Lack bei einem verletzungsbedingten Ausfall von Ribery oder Robben durchaus besetzen könnte. Eine weitere Stärke von Douglas Costa ist seine überragende Schusstechnik, aus der noch zu wenig Zählbares herausspringt und er in einigen Situationen unter ukrainischen Insidern als sehr eigensinnig und ballverliebt gilt. In der vergangenen Saison kam Costa in insgesamt 20 Ligaspielen auf 10 Scorerpunkte, was aufgrund seiner hohen Ablösesumme und den beeindruckenden Leistungsdaten seiner früheren Vereinskameraden Mkhitaryan und Willian doch überrascht, in der beileibe mittelmäßigen ukrainischen Liga, bei der Topklubs wie Kiew, Dniprotrowsk und eben Donezk international mithalten können, aber darunter nun eben der Fußball qualitativ noch in den Kinderschuhen steckt. Überhaupt Mkhitaryan erzielte in seinem letzten Jahr bei Donezk 26 Treffer, floppte jedoch dennoch bei Dortmund, sodass sich auch bei Douglas Costa bei vielen Fans eine grundlegende Skepsis breit macht, da Costa trotz seiner großen Erfahrung von über 202 Spielen und fünf Meistertiteln in der Ukraine nicht an diese Quote herankommen konnte und für den Preis von 35 Millionen Euro Ablöse als zu überteuert gilt.
Viele Fans hofften auf vermeintlich große Namen aus der Riege um Bale, Grizemann oder Di Maria, die wochenlang durch die Klatschgazetten geisterten, aber meist vollkommen nährlos einzig das Sommerloch füllen sollten. Jetzt bedient man sich nicht im allerhöchsten Regal, sondern eine Etage darunter und klar, Costa bringt für den normalen Fußball-Fan keinen großen Namen mit und stach den Bayern-Fans bisher nur mit einem rüden Foul gegen Ribery ins Auge, aber man sollte diesem brasilianischen Irrwisch und zurzeitigen Nobody eine faire Chance geben, denn mit diesem Transfer hat man zwar viel bezahlt, nun aber auch einen flexiblen Spielertyp verpflichtet, der viele Positionen abdecken kann, als Wunschkandidat von Guardiola galt und Überraschungspotenzial besitzt. Viele Säulen der Bayern-Mannschaft kommen nun auch etwas in die Jahre, sodass man mit Costa präventiv einen ähnlichen Spielertyp wie die verletzungsanfälligen Ribery und Robben holte, der dem oft statischen, kontrolliert,dynamiklosen Spiel neue Power einverleiben dürfte. Den Beweis die kolportierten 35 Millionen wert zu sein, muss Costa erst unter Beweis stellen, doch bei den überhitzten Summen auf dem Transfermarkt, sind solche Summen mittlerweile Normalität geworden, besonders auch im Hinblick auf den schwierigen Verhandlungen mit Geschäftspartner Ahmetow auf der Gegenseite und den vergleichsweise astronomischen Summen, die für Hochkaräter wie Di Maria oder Verratti aufgerufen werden.
Es wird spannend zu beobachten zu sein, inwiefern sich Costa fernab seiner gewohnten Umgebung und Freunde um Alex Teixeira, Luiz Adriano und Co. in Donezk, in einer weitaus stärkeren Liga bei einem der besten Klubs der Welt durchsetzen kann und nicht als Millionen-Missverständnis in die Klubannalen eingeht. Zunächst wird sich Douglas Costa hinter Ribery und Robben einordnen, doch könnte bereits zum Bundesligastart sein Startelfdebüt geben, da der Franzose auszufallen droht.Das spielerische Rüstzeug bringt Douglas Costa auf jeden Fall mit, sich im Starensemble an der Säbener Straße zu behaupten und Costa dürfte auch in der Bundesliga für einige Kabinettstückchen sorgen. Jetzt allerdings nicht mehr vor den Augen der Bergarbeiter in der Ostukraine, sondern in der Allianz Arena in München.