Claudio Pizarro ist schon eine coole Socke. Er ist nicht nur für seine vielen schönen Tore bekannt, sondern auch für seine Gelassenheit und dafür, auch mal für einen Spaß zu haben zu sein. Auf die Frage des Reporters, ob er sich dieses Jahr ein eigenes Pizarro-Trikot gönnt, antwortet er lässig: „Nein, diese Mal kauf ich mir keins“ dreht sich um und auf seinem Jersey prangt der Name einer Bremer Neuverpflichtung: Kainz. Pizza der Schelm. Aber wenn so ein guter wie verdienter Stürmer mit dem Namen eines erst 23 jährigen auf dem Rücken rumläuft, dann muss der Jaust doch etwas an sich haben, oder nicht?
Made in Austria
Florian Kainz, Jahrgang 92, trat zum ersten Mal bei einem kleinen Verein namens FC Stategg gegen den Ball. Über die Jugendakademie und die Zweite Mannschaft schaffte der junge Österreicher schließlich den Sprung in die erste Mannschaft von Sturm Graz. Dort stand er sogar, 18 jährig, in seinem ersten internationalen Spiel direkt gegen Juventus Turin in der Startelf. 2014 erfolgte dann der Wechsel zu Rapid Wien, bei denen er in seinen beiden Saisons in insgesamt 84 Spielen 44 Scorerpunkte (15 Tore / 29 Vorlagen) sammelte. Diese gute Statistik blieb auch dem österreichischen Verband nicht verborgen und so durfte der junge Mann auch im Nationalteam ran, zwar nur einmal, aber zur EM stad er immerhin auf Abruf.
Seine Statistik und sein Werdegang lesen sich also lupenrein, der Wechsel in die deutsche Bundesliga ist nun der nächste logische und konsequente Schritt in der noch jungen Karriere. Werder Bremens Geschäftsführer Sport Frank Baumann, der den Transfer abgewickelt hat, gab sogar zu, verwundert zu sein, dass der Spieler „nicht schon längst gewechselt ist“.
Kombinationssicher, dribbelstark und technisch gut
Ja, warum ist Kainz nicht schon längst gewechselt? Weil er sich Zeit genommen hat, sich in seiner Österreichischen Heimat zu entwickeln, und das hat er wirklich gut gemacht. Florian Kainz sagt über sich selbst, er sei „kombinationssicher, dribbelstark und technisch gut“. Ganz schön selbstbewusst für einen so jungen Mann, der sich noch nie über eine Spielzeit mit den Spielern einer europäischen Topliga messen musste. Aber ein gutes Selbstbewusstsein ist nichts anderes als gemachten Erfahrungen, sofern diese richtig gewertet werden. Und Kainz bewertet seine ausgezeichnet. Sein Statement kann man so stehen lassen. Er bringt genau die Attribute mit, die auf seiner Position, auf der linken Außenbahn, verlangt werden. Er ist rechtsfuß und kann somit bei hohem Tempo in die Mitte ziehen, den direkten Abschluss suchen oder mit einem kurzen, flachen Pass den einlaufenden Stürmer durch die Viererkette hindurch bedienen. Ist er nicht in Ballbesitz füllt er diese Rolle auch gerne selbst aus: Von außen bewegt er sich entlang der Viererkette, um dann im richtigem Moment vertikal in die Spitze zu laufen. Wenige IVs wollen da ins Laufduell gehen und schieben einen Satz vor, um Abseits zu stellen, ist Kainz Timing allerdings perfekt und das gelingt nicht, hat der jung Mann freie Bahn und vor dem Tor die nötige Coolness. Seine Geschwindigkeit ist eine seiner wichtigsten Waffen. Neben dem Zug zur Mitte erfüllt er selbstredend auch die wichtige Aufgabe des Flankens, so kann Kainz auch bei versperrtem Laufweg sein Heil nahe der Eckfahne suchen, von wo aus dann der Ball meist einen guten Weg in die Box findet.
Kainz ist also ein recht ordentlicher LA. Körperlich bedingt ist er in einem kontaktfreudigeren Zweikampf unterlegen und Kopfbälle gegen ihn zu gewinnen, verweist nicht auf die eigene Kopfballstärke, aber Kainz ist ein Kämpfer. Er macht die Wege zurück, die offensive Außen so hassen, die aber so wichtig für das gesamte Team sind. Alles gut also? Toptransfer? Dazu gibt es nur eine klare Antwort: Jein!
Butter bei die Fische: Warum Werder Bremen?
Ja Kainz kann was, ja Kainz weiß das und Frank Baumann weiß das, wenn sie das also alle wissen, wissen das auch noch andere, was uns zu dem Schluss bringt: Warum Werder Bremen? Bremen hat eine katastrophale letzte Saison gespielt und die Wettanbieter sind sich sicher: Viktor Skripnik fliegt diese Saison als erster. Nicht grade die beste Perspektive für die erste Bundesligastation und die Entwicklung für den jungen Kainz. Außerdem ist es eher unwahrscheinlich, dass er in einer weniger dominanten Mannschaft wie Bremen seine Qualitäten voll ausleben kann. Wien ist immerhin ein österreichisches Spitzenteam, das 1941 sogar deutscher (!) Meister war und somit in Österreich offensiv und dominant auftritt. Bremen wird nach der letzten Saison wohl eher auf schnellen Klassenerhalt erpicht sein und alles weitere als Bonus nehmen. Sollte dies gelingen, wäre es ruhig genug für Kainz um anzukommen und sich zu entwickeln. Ist es das nicht, ist Werder Bremen der falsche Verein! Warum also Bremen? Bremen hat ausgezeichnete Kontakte nach Österreich. Nicht nur stehen mit Zlatko Junuzovic und Florian Grillitsch zwei Österreicher im aktuellen Kader, sondern es waren auch schon immer welche da. Insgesamt 10 Österreicher spielten bereits an der Weser und das oftmals sehr gut. Bremen ist in Austria bekannt und geschätzt und somit war es wohl Kainz ureigene Entscheidung an die Weser zu wechseln. Die Bremer zahlen 3,5mio Euro und für sie lässt sich die Frage nach dem Toptransfer sehr einfach beantworten: Ja!
Grade nach dem Weggang von Levin Öztunali hofft man an der Weser wieder auf Außenbahnzauber, den einst ein junger Mann namens Özil bei ihnen versprüht hat. Für Kainz allerdings lässt sich festhalten: Der Schritt in die Bundesliga ist der Richtige und Werder Bremen für einen Österreicher nicht der verkehrteste Verein, allerdings hätte es wohlmöglich eine aktuell noch bessere Lösung finden können, für ihn bleibt das Jein. Aber ein halbes Ja ist ja besser als Kainz, eh, keins, oder wie jetzt, Herr Pizarro?
Autor: Tobias Haubert