Bobby Wood: Fast Food für den großen Hunger

US-Boys sind derzeit in der Bundesliga en vogue: Spieler wie Fabian Johnson und Anthony Brooks nehmen mittlerweile im Nationalteam eine wichtige Rolle ein und haben international erste Begehrlichkeiten geweckt. Mit Christian Pulisic und auch Bobby Wood konnten gerade erst wieder bei der Copa America zwei aufstrebende Exporte des Landes, in dem ‚Soccer‘ noch immer eine untergeordnete Rolle hinter der Ballsport-Trias aus Baseball, Basketball und Football einnimmt, auf sich aufmerksam machen. Wood, der letzte Saison bei Union Berlin mit 17 Toren den dritten Platz der 2.Liga-Torschützenliste einnehmen konnte und somit einen internen Vereinsrekord aufstellte, wagt nun den nächsten Schritt: Er schließt sich zur kommenden Saison dem unruhigen Dino Hamburger SV an, der nach dem Fast-Abstieg vor zwei Spielzeiten und der neuerlichen Investitionsfreude von Gönner Klaus-Michael Kühne langsam wieder hungrig die Zähne bleckt. Transferkritiker beleuchtet die Zutaten, den Nährwert und mögliche Schadstoffe dieses Menüs.

 

Dedication and self-discipline

Bobby Wood, der gerade erst vor Vladimir Darida zum Berliner Fußballer der Saison gewählt wurde, hat in seiner noch jungen Karriere vor allem durch eins bestochen: dem unbändigen Willen, an sich selbst zu arbeiten.  Der gebürtige Hawaianer besticht ähnlich der Mentalität des durch asiatische Einwanderung geprägten 50. Bundestaates der USA durch Fleiß und Lernbereitschaft. Geboren in Honolulu und aufgewachsen in Kalifornien, zog es den Sohn einer Japanerin und eines Afroamerikaners in jungen Jahren nach seiner ersten Station bei den unterklassigen Irvine Strikers im Jahre 2007 in die Akademie von 1860 München. Diese Konstellation erwies sich als denkbar ungünstig: Wood wurden nach durchwachsenen Leistungen auf den Außenpositionen, im Zuge derer er wenig Anbindung an das Spiel der Löwen fand, schließlich mangelnder Einsatz im Training und fehlender Integrationswille nachgesagt, wodurch er unter Torsten Fröhling aufs Abstellgleis geriet. Nachdem er sich langfristig bei den Löwen nicht durchsetzen konnte und bei seiner ersten Leihstation in Aue (auf die er auch auf Ratschlage eines seiner größten Förderer, US-Nationalcoach Jürgen Klinsmann, einging) mit Verletzungspech zu kämpfen hatte, wechselte Wood in der letzten Saison zu Union Berlin. Trotz aller Rückschläge hat Wood nie aufgegeben und sich immer wieder noch stärker als zuvor zurückgearbeitet. Dedication and self-discipline –Einsatz und die Disziplin, an sich selbst zu arbeiten (was im Fall Wood manchmal also auch bedeutet, sich selbst anstelle der Mannschaft in den Fokus der Bemühungen zu stellen) sind das bisherige Erfolgsrezept des Stürmers. Im Nationalteam hingegen wusste Wood schon zu Beginn seiner Nominierungen zu überzeugen, was auch an der Förderung und am Vertrauen durch Klinsi liegt, der ihn auch dann nominierte, als er bei 1860 in der Regionalliga kickte und eine zenrale Rolle in der bisherigen Karriere Woods spielt.

Vom Fast Food zum Aggressiv Feeder?

Bobby Wood bringt neben unbändigem Einsatz das mit, was das Spiel der Hanseaten in vorderster Reihe in der letzten Spielzeit oft vermissen ließ und wonach sich Trainer und Fans gleichermaßen sehnten: Tempo, Dribblings und einen starken Abschluss. Insgesamt herrscht in Hamburg bereits seit längerem eine gewisse Vakanz, was das Sturmzentrum angeht. Zwar hat man mit Pierre-Michelle Lasogga einen hoch veranlagten Sturmtank im Kader, dieser wurde in jüngster Vergangenheit allerdings allzu oft durch Verletzungen zurückgeworfen und wird auch in der neuen Saison ein Fragezeichen mit sich tragen. Mit Artjom Rudnevs verlässt derweil ein weiterer Stürmer das Volksparkstadion, der das Versprechen eines beständigen Goalgetters nicht halten konnte.

 Die Chance also für Bobby Wood, sich durch gute Leistungen in die 1. Mannschaft und in das Herz der treuen, aber doch erfolgshungrigen Hamburger zu spielen. Wenn man so will, stellt Wood quasi eine schnelle, bissige Variante der falschen 9 dar, die stark abschliesst – Wood serviert Gegenspielern Fast Food, das nur schwer verdaulich ist und sauer aufstößt. Mit seinem explosionsartigen Antritt und seinen Dribblings, bei denen Wood den Ball durch hohe Kontrolle und enge Ballführung an den Gegnern vorbeizutaksieren weiß, wird er als vorderster Abnehmer für ein schnelles Umschaltspiel und Kontergefahr der Hamburger sorgen können. Doch anders als seine Anlagen vermuten lassen, ist Wood kein Spieler für die Außenbahn: Er lebt davon, zentral mit viel Tempo auf die gegnerische Abwehrreihe  zuzusteuern und selbst den Abschluss zu suchen.  So lieferte er damals vereinzelt seine besten Spiele an der Seite eines Benni Lauth und Rob Friend bei 1860 München ab und so konnte ihm auch bei Union Berlin letztlich der Durchbruch gelingen.

Trotz der Physis, die Wood durch seine Statur mitbringt, bleibt es abzuwarten, wie er seine defensiven Verbundsleistungen in der Bundesliga verbessern kann. Sollte es ihm gelingen, ein noch besseres Raumverständnis zu entwickeln, welches ihm insbesondere im Aufeinandertreffen mit taktisch geschulten Abwehrreihen bisher noch fehlen könnte, würde sich Wood noch unberechenbarer machen. Zugleich muss er auch noch ein Auge für die besser positionierten Mitspieler entwickeln; in Berlin agierte er oftmals zu eigensinnig – die negative Kehrseite der Eigenschaft, sich selbst und seinen Fortschritt in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen. Eine Prise stärkeres Teamplay würde seinem Spiel definitiv gut tun. Wood darf nicht nur Serviertes verarbeiten, sondern idealerweise eine Entwicklung hin zu einem Aggresive Feeder vollziehen, der auch Räume für seine Mitspieler reißt, diese in Szene setzt und mit klugen Pässen füttert. Obwohl er mit der Empfehlung der starken Zweitligasaison in Hamburg aufschlägt, muss auch konstatiert werden, dass er zwar stetig an sich gearbeitet hat, aber auch erst eine komplette überzeugende Saison hinter sich gebracht hat, in der seine Leistungen vor allem auch von der Zuarbeit seiner Mitspieler profitierten.

Letztlich ist da noch die zyklische Renaissance bestimmter taktischer Kniffe zu erwähnen, die sich bei der Europameisterschaft in einem neuen Gewand präsentierte: nach der wieder in Mode gekommenen 3er-Kette zeigte Italien mit Pelle und Eder, dass ein klassischer 2-Mann-Sturm wieder eine gewisse Zukunft in sich trägt. So könnten auch Lasogga und Wood sehr gut als Sturmduo in Hamburg harmonieren und von den Stärken des jeweils anderen profitieren. In diesem Fall könnte Lasogga, der es versteht, die Bälle festzumachen, den Ball auf Wood ablegen oder letzterer dem kopfballstarken Angreifer zuarbeiten. Eine weitere denkbare Variante wäre eine offensive Dreierreihe, in der Lasogga erneut zentral vor einer doppelten hängenden Spitze aus Wood und Nicolai Müller oder gar Aaron Hunt agieren kann.

Der Wechsel bietet unter gewissen Voraussetzungen insgesamt sowohl für Spieler als auch für den Verein eine große Chance: Wood bekommt die Möglichkeit, sich auf hohem Niveau weiterzuentwickeln und der HSV einen Spieler, der nicht nur in den finanziellen Rahmen passt, sondern auch die über die Anlagen verfügt, die man seit längerer Zeit gesucht hat. Kann Wood zu einer größeren, saisonübergreifenden Konstanz in seinem Spiel finden, bekommt er das nötige Vertrauen Labbadias und arbeitet er weiter konkret an seine Schwächen, wird es schwer für die überschaubare Konkurrenz im Sturm der Hamburger, an ihm vorbeizukommen.

Autor: Julian Wacker

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