5-Jahres-Vergleich: 1. FC Köln

Schreibt man heute über den 1. FC Köln von 2011, dann hat man das Gefühl, über einen völlig anderen Verein zu schreiben, als der, den man aktuell beobachtet. Acht Spieltage dauerte es in der Saison 2010/2011, ehe Trainer Zvonimir Soldo gefeuert und durch U23-Trainer Frank Schaefer ersetzt wurde. Kurze Zeit später, im November 2010, wurde Manager Michael Meier gefeuert, der ehemalige Freiburger Trainer Volker Finke kam als Sportdirektor. Es wurden Spieler verpflichtet wie der Japaner Tomoaki Makino oder der Freiburger Wilfried Sanou, an die sich heute nur noch Hardcore-Fans erinnern. Die Top-Transfers hießen Martin Lanig und Mato Jajalo.

Was war vor 5 Jahren los?
Alles erschwerend kam hinzu, dass der 1. FC Köln zu dieser Zeit tatsächlich einen absoluten Top-Star in seinen Reihen hatte. Nehmen wir kurz eine Anleihe von der WM 2014. Damals lautete ein geflügeltes Wort, mit dem der Erfolg der DFB-Elf erklärt werden sollte: „Argentinien hat Messi, Portugal hat Ronaldo, Brasilien hat Neymar. Aber Deutschland hatte ein Team.“ Dieses Superstar-System wurde ein paar Jahre früher auch beim FC ausprobiert – es scheiterte krachend. 2011/2012 war es einmal wieder so weit. Nachdem der FC sich in der Vorsaison mit 44 Punkten gerettet hatte (Volker Finke hatte drei Spieltage vor Schluss von Frank Schaefer übernommen), kam der Norweger Stale Solbakken als Trainer. Dessen Versuche, so etwas wie eine moderne Spiel-Philosophie zu vermitteln, scheiterten nicht nur, in Köln brach sogar das absolute Chaos aus. Während Lukas Podolski in dieser Spielzeit mit 18 Toren so viele Treffer erzielte wie nie mehr in einer Erstligasaison, sackte der FC immer mehr ab. Als alle dachten, Stale Solbakkens Zeit sei vorüber, wurde Sportdirektor Finke vom Präsidium um Klub-Ikone Wolfgang Overath gefeuert. Doch nur Wochen später, nach einer 0:4-Klatsche in Mainz, folgte ihm der Norweger in die Arbeitslosigkeit, es übernahm erneut Frank Schaefer.

Höhen und Tiefen der vergangenen Saisons

Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, trat im November 2011 der komplette Vorstand zurück. Es kam, wie es kommen musste: Der 1. FC Köln stieg erneut ab, nach der 1:4-Niederlage gegen den FC Bayern am letzten Spieltag tauchten unverbesserliche Chaoten das Rhein-Energie-Stadion in schwarzen Rauch, Lukas Podolski wurde für 12 Millionen Euro zum FC Arsenal verkauft. Das Top-Star-Modell war nun auch beim 1. FC Köln als unbrauchbar erkannt.

Einen Monat vor diesen chaotischen Szenen hatte die Mitgliederversammlung des Traditionsklubs Werner Spinner, Ex-Nationaltorwart Toni Schumacher und den Karnevals-Funktionär Markus Ritterbach in das neue Präsidium gewählt. In der 2. Liga sollte ein neuer Anlauf genommen werden.

Tatsächlich wurden bereits damals die Fundamente gelegt, auf denen das Gebäude 1. FC Köln heute steht. Mit Timo Horn, Matthias Lehmann, Anthony Ujah, Dominic Maroh und Kevin Wimmer kamen Spieler, die in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen sollten. Viel stiller nahm man die Verpflichtung von Alexander Wehrle vom VfB Stuttgart als neuen Geschäftsführer zur Kenntnis – tatsächlich war dies der größte Glücksgriff. Wehrle machte Kassensturz und kümmerte sich fortan um die Finanzen – der Schuldenstand belief sich auf über 30 Millionen Euro, der FC stand als Zweitligist kurz vor der Insolvenz.

Die Verpflichtung von Holger Stanislawski als Trainer im Mai 2012 stand noch einmal stellvertretend für die ganze Problematik des FC: Der Start in die Saison misslang komplett, danach folgte eine Zeit der Beruhigung und dem Vorstoß auf Platz drei der Zweitligatabelle. Doch am Ende war wieder Chaos pur angesagt: Der FC rutschte auf Platz fünf ab, Holger Stanislawski bat um Auflösung seines Vertrags. Seit diesem Tag arbeitete der Ex-St.Pauli-Hero nie mehr als Trainer, er eröffnete einen Supermarkt und gibt im ZDF den Experten.

Im Mai 2013 stand der FC also ohne Trainer, ohne Manager und ohne Mannschaft da. Als dann im Juni der Wiener Peter Stöger verpflichtet wurde, waren die Vorbehalte groß. Warum kommt einer, der mit der Austria gerade Meister und Pokalsieger geworden ist und Champions League spielen kann, zu einem deutschen Zweitligisten? „Für mich ist das großes Kino“, antwortete Stöger, man nahm es hin  in Köln, die Erwartungshaltung war ohnehin klein. Einen Monat später gelang es Toni Schumacher und Alexander Wehrle, mit Jörg Schmadtke einen der fähigsten Manager Deutschlands zu verpflichten – und plötzlich sah alles schon viel weniger dunkel aus.

Stöger, Schmadtke und Wehrle schafften, was niemand für möglich gehalten hätte: Sie machten aus dem FC einen „normalen“ Fußballverein. Als die ersten Spiele in der 2. Liga nicht verloren gingen und das Umfeld schon wieder leicht verrücktspielte, verordnete Schmadtke per Vereins-TV die neue Therapie: „Ruuuhig…..ganz ruuuhig“, hauchte er ins Mikrofon und dies galt all denen, die den FC schon wieder Richtung Europa marschieren sahen.

Tatsächlich baute Peter Stöger eine Mannschaft auf, die diese Zweitligasaison dominierte, zu den Neuzugängen wie Marcel Risse oder Eigengewächs Yannick Gerhardt kam aus Wolfsburg noch Patrick Helmes dazu. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Das Sturmduo Ujah/Helmes traf gemeinsam 23mal, die neuformierte Abwehr ließ nur 20 Treffer zu – drei Spieltage vor Schluss stand der FC nach einem 3:1-Sieg gegen den VfL Bochum als Aufsteiger fest und holte sich am Ende auch noch die Zweitliga-Meisterschaft. Im Mai 2014 war der FC endlich wieder Erstligist und – viel wichtiger – ein Verein mit Perspektive.

Während im Hintergrund Alex Wehrle beharrlich an der Verbesserung der Finanzlage arbeitete, verstärkte Jörg Schmadtke mit seinem Partner Jörg Jakobs den Kader. Patrick Helmes kam auf keinen Einsatz mehr, musste wegen einer Verletzung seine Karriere beenden, der Rest der Aufstiegstruppe blieb zusammen. Als Verstärkungen kamen Kevin Vogt aus Augsburg, Simon Zoller aus Kaiserslautern und Yuya Osako von den Münchner Löwen. Die Spielweise, die Peter Stöger diesem Kader verpasste – der ja im Grunde der Zweitligakader minus Helmes war – konnte nur auf einer starken Defensive fußen. Hinter sicher stehen, vorne effektiv kontern – das haute hin. So holte man auswärts jede Menge Punkte, während man zuhause während der Hinrunde nur einen Sieg verbuchte. Das klappte nach der Winterpause besser: Die Stöger-Elf verlor kein Spiel mehr in Müngersdorf, holte am 32. Spieltag mit einem Sieg gegen den FC Schalke die nötigen Punkte zur Rettung. Am Ende konnte der Aufsteiger stolz darauf verweisen, nie in Abstiegsgefahr geraten zu sein und schließlich Platz 12 erreicht zu haben.

Heutige Situation und Fazit:

Viel wichtiger aber: Es ist angenehm ruhig geworden in Köln. Wo früher das typische „Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt“ sich Woche für Woche abwechselte, herrscht nun Realismus pur. Stöger und Schmadtke entwickeln den Kader nach vorne, wollen in dieser Saison irgendwo um Platz 10 landen. Das scheint zu klappen, denn wenn der FC nicht so häufig von den Schiedsrichtern benachteiligt worden wäre, stünden nun schon deutlich mehr als 22 Punkte auf dem Konto.

Alles in allem hat sich der 1. FC Köln innerhalb der letzten fünf Jahre zu einem völlig neuen Verein entwickelt. Weg von der Skandalnudel, hin zu einem seriösen Verein, der bald auch in Europa wieder ein Wörtchen mitsprechen will. Aber darüber redet man nicht bei den Geißböcken – daran arbeitet man.
Aber es hat sich mal wieder bewiesen – in Deutschland zählt das Kollektiv, nicht der einzelne Star!

Facebook-Kommentare